PRO: SCHRÖDER LEHNT RAKETENABWEHR NICHT AB – ZU RECHT: Besser dabei als außen vor
Jetzt ist es raus. Gerhard Schröder ist für eine deutsche Beteiligung an der US-Raketenabwehr NMD. Noch schmückt er seine Ausführungen mit manchem Wenn und Aber. Aber die Dosierung zur rechten Zeit soll die Bevölkerung mental vorbereiten: Wir mischen mit! Nun werden die Kritiker aufschreien, werden den rot-grünen Akteuren ihren Gesinnungswandel vorwerfen und an frühere Äußerungen zum Nato-Doppelbeschluss und bei Friedensdemonstrationen erinnern. Die Regierung wird es ertragen – weil Rückblicke sich für Polemik eignen, aber nicht für die Realpolitik.
Schröder folgt der einfachen Erkenntnis, dass es besser ist, wenigstens am Rande mitzumischen, als ganz außen vor zu sein – zumal wenn ein Projekt nicht mehr zu verhindern ist. Dass die USA mit Macht NMD verfolgt, ist ja nicht erst seit dem Amtsantritt von Bush bekannt. Auch unter seinem Vorgänger Clinton wurde hartnäckig daran festgehalten. Selbst der russische Präsident Putin sieht dies ein. Sein Vorschlag an die Nato, regional begrenzte russisch-europäische Raketenschilde zu entwickeln, ist ja nichts anderes als die Anerkennung der amerikanischen Zukunftsvision.
Die Alternative hieße für Putin wie für Schröder: Isolationismus. Dass der Kanzler auch die ökonomischen Aspekte des Raketenprojekts sieht, ist wohl nicht nur seiner Zuneigung zur Wirtschaft geschuldet. Dahinter steckt auch die Sorge, dass Europa – und nicht nur Deutschland – von einer Technologie abgekoppelt werden könnte, die die künftigen strategischen Planungen womöglich entscheidend bestimmt. Wer mitentwickelt, sichert sich Einfluss und politischen Spielraum.
Dass Europa bereits auf wichtigen Feldern eine militärtechnologische Geisel der USA ist, zeigte nicht zuletzt der Luftkrieg gegen Jugoslawien. Da Deutschland und Frankreich aus Kostengründen bisher auf einen eigenen Satelliten verzichteten, waren sie von der US-Aufklärung abhängig und mussten sich mit dem begnügen, was der große Partner ihnen an Informationen zubilligte. Das sind nüchterne Fakten, die auch die Kritiker nicht ignorieren können. Statt sich abseits zu stellen oder gar auf gesellschaftlichen Protest gegen NMD zu hoffen, ist Mitsprache die einzige Option. Nur so sind Richtung, Breite und Umfang des Projekts zu beeinflussen. SEVERIN WEILAND
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