PARTNERSCHAFTEN: Ehe ohne Ewigkeit
Hamburger Grüne fordern "Ehe light", um die Benachteiligung heiratsunwilliger Paare zu mindern und Verantwortungsübernahme zu belohnen.
HAMBURG taz | "Eine enorme Resonanz und fast nur positive Reaktionen" habe sein Vorschlag ausgelöst, freut sich Anjes Tjarks, Vize-Chef der Hamburger Grünen (GAL) über das Echo auf seinen Vorstoß. Am Montag hatte Tjarks sein Modell einer "Ehe Light" der Öffentlichkeit präsentiert. Der Kerngedanke: Lebensgemeinschaften von Paaren, die das "Ewigkeitsversprechen Ehe" scheuen, sollen fortan eine "Rechtsgrundlage erhalten, die die Rechte beider Partner klar definiert und gleichzeitig die Verantwortung für gemeinsame Kinder, aber auch deren eigene Rechtssicherheit stärkt."
Für viele Menschen sei das "Ewigkeitsversprechen der Eheschließung überhöht", sagt Tjarks. Er verweist auf die ungebrochen hohen Scheidungsraten und darauf, dass in Hamburg 53 Prozent aller Haushalte Single-Haushalte sind, Jedes dritte Kind komme unehelich zur Welt.
Wer aber keinen Bund fürs Leben eingehen will, werde als Paar systematisch benachteiligt, argumentiert Tjarks: Ob Steuer- oder Erbrecht, Rentenansprüche oder gemeinsames Sorgerecht - überall seien uneheliche Paare "schlechter gestellt", obwohl sie für einander und auch für gemeinsame Kinder dieselbe Verantwortung wie Ehepartner übernehmen würden - ohne dafür allerdings vom Staat gefördert zu werden.
Um diesen Missstand zu beheben, fordert Tjarks nun "eine weniger bindende Institution" als die Ehe, die nach den Regeln der Gütertrennung wieder aufgelöst werden kann. Diese Lebensgemeinschaften sollten Ehepaaren rechtlich nahezu gleichgestellt werden. "Ich will mit diesem Modell die Rechtslage endlich an die gelebte Realität anpassen", sagt Tjarks über seine Motivation für den Vorstoß.
Das grüne Modell sieht ein gemeinsames Sorgerecht für gemeinsame Kinder vor. Die Partner kommen in den Genuss des Steuersplittings, der Erbregeln, die für Ehepartner gelten, und sie sollen ihren Liebsten kostenlos mit krankenversichern können. Auch andere Probleme Unverheirateter wie das Auskunftsrecht gegenüber Ärzten oder das Recht, über lebensverlängernde Maßnahmen bei einer unheilbaren Erkrankung des Partners zu entscheiden, könnten durch die Ehe ohne Trauschein gelöst werden.
Geschlossen werden soll der "Zivilpakt" auf dem Standesamt, aufgelöst ohne große Formalitäten vor Gericht oder im Amtszimmer eines Notars. Ein Partner allein könne die "Ehe ohne Kündigungsfrist" auflösen - ohne Trennungsjahr und Drei-Jahres-Frist, wenn der Andere an der Verbindung festhalten wolle. "Ich kenne viele Paare, die ohne heiraten zu wollen, sich eine Form der Partnerschaft wünschen, die sie nach innen und außen dokumentieren können", sagt Tjarks. Das habe ihn auf die Idee gebracht.
Die Idee von der "Verpacktung", wie der Grüne sein Lightmodell nennt, hat Tjarks aus Frankreich geklaut. Dort gäbe es schon seit Jahren einen solchen "Zivilpakt", mit der Folge, dass inzwischen nur noch zwei Drittel aller bindungswilligen Paare konventionell heiraten würden. Ein Drittel entschieden sich für die abgespeckte Ehevariante.
Der GAL-Vizechef will seinen Vorschlag nun in der eigenen Partei, aber auch mit der politischen Konkurrenz diskutieren. Seine Strategie: "die Debatte anstoßen und dann sehen was draus wird". Langfristiges Ziel des zweifachen, unverheirateten Vaters ist es, über eine Bundesratsinitiative den Zivilpakt im Gesetzbuch festzuschreiben - als Ergänzung zur klassischen Ehe und zur homosexuellen Lebenspartnerschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen