Ostermarsch in der Priegnitzer Heide: Friede den Bombern
Das Interesse an den Märschen war vielerorts gering. Kein Vergleich mit den Hunderttausenden in den Achtzigern. Einziger Lichtblick: der Protest gegen das Bombodrom in Brandenburg.
Die letzten Takte von Bachs Allegro aus den Brandenburgischen Konzerten sind verklungen, da jubelt Benedikt Schirges. Er sagt über den Lautsprecher: "Schon vier Mal haben wir unsere Erkennungsmelodie gespielt, und immer noch strömen Leute herbei, das ist Rekord!"
Zwei Tage zuvor war der Organisator des bereits zum 17. Mal durchgeführten Ostermarsches im nordbrandenburgischen Fretzdorf eher skeptisch. Er wollte keine Prognose wagen, ob der Marsch auch dieses Jahr wieder der größte in Deutschland würde. Seit 17 Jahren und insgesamt 27 Gerichtsverhandlungen kämpfen er und Bürgerinitiativen wie die "Freie Heide" gegen Pläne der Bundeswehr, auf dem 144 Quadratkilometer großen Gelände Kampfübungen mit bis zu 8.500 Tiefflügen jährlich durchzuführen.
Die militärische Nutzung des sogenannten Bombodroms ist seit Jahren durch gerichtliche Entscheidungen vorläufig untersagt. Erst Ende März hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Bundeswehr in dem seit 1994 währenden Rechtsstreit über das Bombodrom schwere Planungsfehler vorgeworfen und damit das Betriebsverbot aufrechterhalten. Noch immer gibt es allerdings vonseiten der Regierung keine Bereitschaft dazu, die militärischen Pläne aufzugeben. Die Gegner des Truppenübungsplatzes sind deshalb auf der Hut: 12.000 Menschen sind nach Angaben des Veranstalters nach Fretzdorf gekommen - so viele wie lange nicht mehr.
Als Erstes treffen Rentnerpärchen mit Friedenstaube-Buttons an der Jacke auf dem Dorfplatz von Fretzdorf ein. Aus den Boxen klingen Friedensklassiker wie "Imagine" von John Lennon oder "Peace Train" von Cat Stevens. Eine Dame sagt, dass sie schon seit Jahren an Ostern herkomme. Obwohl sie in der Nähe von Oranienburg wohne und vom Flug- und Bombenlärm nicht direkt betroffen sei. "Mein Herz schlägt links", sagt sie stolz. Dass sie sich gegen Kriegsübungen der Bundeswehr wehrt, ist für sie eine Selbstverständlichkeit.
Ein paar Meter weiter hat die Linke einen Stand mit Werbematerial vor ihrem Camper aufgebaut. "Verpissen gilt nicht! Meck-Pom geht wählen", heißt es auf ihren Plakaten. Peter Ritter, Landesvorsitzender der Linkspartei von Mecklenburg-Vorpommern, betont, dass es weder hier noch anderswo Truppenübungsplätze brauche und die Bundeswehr grundsätzlich abgeschafft gehöre.
Je mehr Leute nach Fretzdorf strömen, desto bunter wird die Menge. Unter die Pace-Regenbogen- und Freie-Heide-Fahnen mischen sich solche mit Parteinamen: SPD, Die Linke, Grüne/Bündnis 90, KPD.
Die Parteien sind auch auf der Bühne prominent vertreten: Petra Pau von der Linken, Vizepräsidentin des Bundestags, fordert die Demonstranten dazu auf, nach dem jüngsten Erfolg auch einfach mal zu feiern. Und sie wünscht sich zum 60. Geburtstag der Nato, dass diese abgewrackt wird. Nach 60 Jahren sei die Zeit reif dafür. Cem Özdemir, Vorsitzender der Grünen, bekennt sich als langjähriger Gegner des Bombodroms und fordert, die Heide für nachhaltigen Tourismus und ökologische Landwirtschaft zu nutzen.
Beim Ostermarsch von Fretzdorf mischen sich Menschen aus den Anwohnergemeinden des Bombodroms mit Friedensbewegten, die aus der weiteren Umgebung kommen - viele sind aus Berlin angereist. Nicht allen Demonstranten liegt in erster Linie die Heide am Herzen. Eine Frau zum Beispiel fordert auf ihrem selbst gemachten Schild "Friede auch den Tieren im Walde". Ein junger Mann mit Pagenschnitt verteilt Broschüren mit der Aufschrift "Bundeswehr abschaffen". Der Großteil der Demonstranten gehört jedoch den Generationen an, die bereits die Übungsbombardements der Russen und die Bedrohung durch den Kalten Krieg erlebt haben und bereits bei der Antikriegsbewegung der 60er- und 70er-Jahre mitmarschiert sind.
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