Ostermärsche in Deutschland: Marschieren mit Obama

Der Abrüstungsplan des US-Präsidenten könnte den Ostermärschen Rückenwind geben oder den Wind aus den Segeln nehmen - wahrscheinlich entscheidet das eine höhere Macht.

Auch wenn Obama sich dahinterstellt: Das Ziel ist noch lange nicht erreicht. Bild: reuters

Man könnte fast meinen, die Ostermärsche gewännen wieder an Aktualität. Immerhin haben sie nun einen prominenten Fürsprecher. Kein Geringerer als Barack Obama höchstpersönlich, seines Zeichens Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, hat die ureigene Forderung der deutschen Ostermarschbewegung aufgegriffen und mit seiner Prager Rede Anfang dieser Woche die Forderung nach einer atomwaffenfreien Welt wieder auf die politische Tagesordnung gerückt.

Und er steht nicht alleine auf der Weltbühne. Nun hat auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, derzeit noch amtierender Bundesaußenminister, die Friedensbewegung als Wahlkampfklientel entdeckt und umschmeichelt sie nun. Die diesjährigen Ostermärsche hätten eine besondere Bedeutung, sagt er. Es gebe reelle Chancen, dass die Bewegung, die vor 50 Jahren mit der Kampagne für nukleare Abrüstung begann, "nach langen politischen Auseinandersetzungen einen großen Erfolg verbuchen" könnte.

Befindet sich die Friedensbewegung im Aufwind, und wird sich das etwa auch an der Teilnehmerzahl an diesem Wochenende bei den traditionellen Ostermärschen widerspiegeln? Oder hat es eher den umgekehrten Effekt: Warum noch demonstrieren, wenn der US-Präsident und der deutsche Außenminister sich dasselbe Ziel nun selbst gesetzt haben? Sollte die Friedensbewegung an diesem Osterwochenende nun mit oder gegen Obama und Steinmeier demonstrieren?

Die Protagonisten der Friedensbewegung selbst begrüßen es zumindest, dass Obama im Gegensatz zu seinem Vorgänger die Rüstungskontrollpolitik wieder in Gang setzen will. Und auch sein Einsatz für die Ratifizierung des Abkommens zur Ächtung von Atomwaffenversuchen werde als "positives Signal" gewertet. "Sicher hat Obama in vielen Punkten mit der bornierten Politik der Bush-Administration gebrochen", sagt etwa Christian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative, einer der Hauptinitiatoren der diesjährigen Ostermärsche. Einerseits. Andererseits halte auch Obama "an einer weltweit für ihre Interessen Krieg führenden Nato fest". Erst bei der Konferenz des Atomwaffensperrvertrages im kommenden Jahr werde man beurteilen können, wie nachhaltig Obamas Versprechen wirklich seien, sagt Golla. Deshalb sei es umso wichtiger, an diesem Wochenende auf die Straße zu gehen.

Genau könne aber auch er nicht abschätzen, wie protesthungrig die Bundesbürger in diesem Jahr tatsächlich sind. Über 70 Veranstaltungen seien bundesweit insgesamt vorgesehen. Nach dem Demonstrationsmarathon gegen den Nato-Jubiläumsgipfel in Straßburg sowie den Demonstrationen wenige Tage zuvor beim G-20-Gipfel in London könne es aber durchaus sein, dass viele nun protestmüde seien, sagt Golla. Andere Initiatoren der Ostermärsche betonen, dass mit den Demos in und um Straßburg mit 6.000 TeilnehmerInnen allein auf deutscher Seite ja bereits die größte Friedensdemonstration stattgefunden habe.

Auf die Frage, ob Obamas Friedenspolitik den Protest beflügeln oder hemmen wird, lautet die wohl realistischste Antwort: Weder noch. Seit 1960 finden in Deutschland die Ostermärsche mehr oder weniger regelmäßig statt. Hervorgegangen aus Großbritannien, wo sich am Karfreitag 1958 unter der Regie des inzwischen verstorbenen Philosophen Bertrand Russel erstmals 10.000 Menschen versammelten, um für die atomare Abrüstung zu demonstrieren, erlebte die Bewegung ihre Höhepunkte in der Zeit des Vietnamkriegs Ende der 1960er-Jahre und dann noch einmal in der Auseinandersetzung um die Nato-Nachrüstung Anfang der 1980er. Längst haben sich die Ostermärsche zu einer konjunkturresistenten Institution entwickelt mit einem über die Jahrzehnte gesehen zwar schrumpfenden, aber absolut gesehen dennoch ansehnlichen Kern von mehreren 10.000 TeilnehmerInnen, die jedes Jahr die blaue Fahne mit der weißen Friedenstaube hochhalten.

Ihre Entscheidung mitzumarschieren, fällen die meisten inzwischen wohl auch weitgehend losgelöst von der weltpolitischen Lage. Allenfalls die Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg, wo die Bundeswehr weiterhin an einem Bombenabwurfplatz festhält, hat noch einen unmittelbaren Aufhänger. Ansonsten sind die Ostermarschierer in jüngerer Zeit weder wesentlich mehr geworden, wenn im Irak der Krieg tobte, noch werden sie merklich weniger, wenn ihnen ein US-Präsident von den Lippen ließt.

Ausschlaggebender dürfte da eher das Wetter sein. Das wiederum soll an diesem Osterwochenende ja blendend werden.

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