Ost-Institut in Wismar: Die Russland-Versteher
Das Ost-Institut sollte die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland fördern und Russlands Ruf verbessern. Die Gründungsidee erwies sich als falsch.
Zwei Jahre lang hätten er und seine Kollegen diese Veranstaltung damals vorbereitet, erinnert sich Vorstandsmitglied Andreas Steininger. „Sowas machen Sie nicht mal eben.“ Letztlich sei es eine politische Entscheidung des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) gewesen, die Veranstaltung durchzuziehen – als Plattform, um im Gespräch zu bleiben.
„Damals fand ich das richtig“, bekennt Steininger. „Aus heutiger Sicht war es ein Fehler.“ Allerdings war es bei der Gründung des Instituts von vornherein darum gegangen, ein allzu negatives Russlandbild im Westen zu korrigieren, Wissen über das Land zu vermitteln und auch Verständnis zu wecken.
Er habe als Rechtsanwalt und Ingenieur in Russland deutsche Firmen vertreten, erzählt Steininger. „Ich habe erlebt, wie viele Russen die 1990er und Nullerjahre als unglaubliche Demütigung empfunden haben“, sagt er. Der Warnruf des russischen Präsidenten Wladimir Putin 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz, doch bitte die russischen Interessen zu respektieren, habe für ihn ein Manko offengelegt, das er mit Gründung des Instituts zumindest etwas habe ausgleichen wollen.
Andreas Steininger, Ost-Institut
Er selbst habe über russisches Recht promoviert und den Eindruck gewonnen, dass es in Westeuropa zu wenig Wissen über die russische Rechts- und Wirtschaftsgeschichte gebe. Das Ost-Institut, das mit Unterstützung des verstorbenen ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) gegründet wurde, sollte „deutsche Juristen für den russischen Markt ausbilden“. Es sollte zur Rechtsentwicklung in Osteuropa publizieren und mit Veranstaltungen die Wirtschaftskontakte verbessern. Die Hochschule bot und bietet Austauschprogramme und Studienkooperationen mit russischen, ukrainischen und kasachischen Universitäten an.
Steininger, der eine Professur für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Wismar bekleidet, legt Wert darauf, dass das Ost-Institut „keinen Cent“ staatlicher Förderung erhalten habe, weder von russischer noch von deutscher Seite. Natürlich hätten er und seine Mitstreiter versucht, Kontakt zu russischen Offiziellen zu knüpfen, sozusagen als Türöffner. Der Verdacht, Russland habe bei der Gründung des Instituts seine Finger im Spiel gehabt, sei aber Unsinn.
Der 24. Februar 2022, der Tag des russischen Einmarschs in die Ukraine, hat viel verändert. „Wir sind davon ausgegangen, die denken wie wir rational“, sagt Steiningers Professorenkollege Hans-Joachim Schramm. Den russischen Aufmarsch habe er für einen Bluff gehalten. Als Reaktion auf den Überfall hat die Hochschule den Doppelstudiengang und das Austauschprogramm mit den russischen Universitäten ausgesetzt. Der Studiengang Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht bleibt jedoch bestehen. Er richtet sich jetzt insbesondere an Studierende aus der Ukraine und aus den zentralasiatischen Staaten.
Der Fokus der Arbeit habe sich auf die Ukraine verschoben, sagt Schramm. „Da wir wirtschaftlich ausgerichtet sind, ist die Ukraine für uns das interessanteste Land.“ Derzeit seien sieben ukrainische Professoren am Institut, um sich mit dem Rechtssystem der EU vertraut zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin