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Oscar-PreisverleihungViele Stars, wenig Licht

Kommentar von Jonathan Guggenberger

Die Academy beweist mit ihrer Oscar-Vergabe wieder mal, dass sie keinen Mumm hat. Den Preisträgern mangelt es daran nicht. Aber stehen sie auf der richtigen Seite?

Klare Botschaften bei der Oskarverleihung am Sonntag in Los Angeles Foto: Richard Shotwell/Invision/ap/dpa

B leibt man im Schisma von „Oppenheimer“ vs. „Barbie“, von Dunkelheit vs. Licht, von Schwarz vs. Pink, dann ist der siebenfache Sieg von „Oppenheimer“ mehr als nur ein fehlgeleitetes Geschmacksurteil der Academy.

Auf dem roten Teppich versteckt sich die Regression hinter unschuldig wirkenden Ceasefire-Ansteckern. In ihrer Symbolik zielen die mal wieder gekonnt daneben: die blutroten Hände? Von vielen Jüdinnen und Juden schon mehrfach als Symbol des antisemitischen Lynchmords von Ramallah gedeutet.

Aber Symbole sind nun mal mehrdeutig. Nur Jonathan Glazer will seinen Film „The Zone of Interest“ in die Eindeutigkeit politischer Gegenwart retten: Auf die Dehumanisierung in Auschwitz folgt die Dehumanisierung von Palästinensern – Israelis sind die neuen Nazis.

Denn: Nicht nur für die tatsächlich unmenschlichen Zustände in Gaza ist die israelische „Occupation“ verantwortlich. Auch für das Massaker der Hamas am 7. Oktober. Getreu dem Motto: Die Juden sind selbst schuld, wenn sie gehasst werden. Oder: Palästinensische Terroristen besitzen keine Agency, sie sind nur Opfer ihrer jüdischen Verhältnisse. Bestätigung für Glazers hinkenden Geschichtsvergleich: die Tränen der deutschen Schauspielerin Sandra Hüller.

Eine Welt der grell leuchtenden Pink Emancipation wie der von Greta Gerwigs „Barbie“ scheint schon wieder passé. Anstatt der befreienden Symbiose von Pop, Plastik und Politik beklatscht man humanistisch aufgepäppelten Geschichtsrevisionismus und, mit Blick auf Emma Stone in „Poor Things“, den patriarchalen Fetisch für das Kind in der Frau.

In sind: verzweifelte Männer und schamerfüllte Juden. Out sind: souveräne Frauen, indigene Stars wie Lily Gladstone und Juden, die sich selbst verteidigen – oder zumindest vor falschen Auschwitzvergleichen zurückschrecken. Verwundern braucht das nicht: Bei den diesjährigen Oscars wird das Licht der Emanzipation mal wieder begraben.

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6 Kommentare

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  • Ist eigentlich nur mir die Bemerkung von Kimmel sauer aufgestoßen, dass er Nazi & Auschwitz-Themen für das US-Publikum als "schwer" und für Deutschland als "romantische Komodien" bezeichnet.....? Sollte das witzig sein?



    Vielleicht sollte man einmal eine Liste mit US-Komödien rund um Vietnam oder 9/11 zusammenstellen...

    • @Monomi:

      Ja, das sollte witzig sein. Leider sind solche Länder-Stereotype bei allen Late-Night-Hosts Standard. Die "Witze" über z.B. Italien oder Schweden sind allerdings auch nicht tiefgründiger.



      Während Kimmel, Colbert und Co. die heimische US-amerikanische Politik immer wieder treffend aufs Korn nehmen, kommen sie was das Ausland angeht nicht aus alten Stereotypen heraus.



      Typisch US-amerianisch eben! ;)

  • Glazer, selbst Jude, sagte, er lehne es ab, dass das Jüdischsein und der Holocaust als Rechtfertigung für eine Besatzung gekapert würden, die für so viele unschuldige Menschen Konflikt bedeute. „Ob es um die Opfer des 7. Oktober in Israel geht oder die anhaltenden Angriffe auf Gaza, alle sind Opfer der Entmenschlichung – wie leisten wir Widerstand?“ Und noch etwas: zu den Ceasefire-Ansteckern. Von vielen Jüdinnen und Juden als Symbol des antisemitischen Lynchmords von Ramallah gedeutet - ebenso wie von vielen Jüdinnen und Juden Ceasefire unterstützt wird.

  • Warum wird die religiöse Zugehörigkeit Jude und Israel immer in einen Topf geworfen.

    Bedenken/Ablehnung gegen die israelische Netanjahu Regierung sind und bleiben legitim. Jede Antiisraelische Handlung wird mit Antisemitismus gleichgesetzt, eine perfide aber erfolgreiche Taktik der israelischen Propaganda.

    Mich trifft der terroristische Hamasanschlag in der Seele, Freiheitskampf ja, Widerstand ja....aber nicht mit Mord und Totschlag, nicht mit Vergewaltigung und Verschleppen von Kinder.

    Allerdings gilt auch....eine demokratisch gewählte Regierung, die sich westlichen Werten verpflichtet fühlt, darf keine an Massaker erinnerte Gegenschläge durchführen.

    Einem Israeli der aktiv die Position der Netanjahu Regierung vertritt stehe ich ablehnend gegenüber....völlig losgelöst davon ob er dem jüdischem Glauben angehört oder nicht.

    Die Tyrannen in Mittelamerika egal wie stark sie sich katholisch geben, lehne ich als Mörder und nicht als Katholiken ab..

    • @Peace85:

      In DIESEM Fall könnte das "in einen Topf werfen" damit zu tun haben, dass der ständige Hinweis: "Was habe ich mit Israel zu tun, ich bin Jude in Deutschland" nicht mehr verfängt, weil am 7.10 um 20:00 Uhr abends die übergroße Mehrheit der Juden in Deutschland sich selbst als angegriffen betrachtete.



      Für die ersten Tage danach mag das nachfühlbar sein. Als klar wurde, was die israelischen Armee im Gazastreifen anrichtet, hätte ich mehr Distanzierung erhofft. Kam aber nicht. Es wird als angemessen betrachtet, dass Deutschland für den Einsatz Artilleriemunition liefert. Vorhersehbar sind bei jedem Schuß etwa 30% der Opfer Kinder.

      • @Monomi:

        Das ist leider ziemlicher Unsinn: In „einen Topf geworfen“ wurden die Jüdinnen und Juden in Deutschland mit Israel vor allem von den Menschen, die auf Berlins Straßen den Terror des 7. Oktobers feierten, von den Leuten, die Jüdinnen und Juden auf offener Straße angegriffen haben – und von der schweigenden deutschen Mehrheit, die im Angesicht dieses Massakers peinlich die Klappe gehalten haben.