Oscar-Favorit "The Kings Speech": Nenn mich Bertie
Tom Hoopers monarchistischer Oscar-Favorit "The Kings Speech" setzt auf die Männerfreundschaft zwischen King George und seinem Sprachtherapeuten - zum Gotterbarmen.
Zweideutig ist der Titel des Films. "Speech" heißt sowohl "Sprechweise" als auch "Rede". Von hier nach da, vom gehemmten Sprechen des Königs zu seiner wichtigsten Rede bewegt sich "The Kings Speech". Kürzer gesagt: Vom Speech-Problem zum Speech-Triumph spannt sich der Bogen.
Oder noch einmal anders: Prinz Albert Frederick Arthur George of York stottert, wird trotzdem König von Großbritannien, wird von einem abgehalfterten australischen Schauspieler leidlich geheilt, und Großbritannien gewinnt gegen Deutschland den Krieg. Eine alte Geschichte, kühn und konventionskompatibel abgekürzt, Ausgang erbaulich.
"Bertie" heißt der gute Mann im Kreis der Familie, und nur in der Groschenromanfantasie eines mäßig begabten Drehbuchautors darf ihn auch sein Logopäde so nennen. In der Thronfolge steht der nachmalige King George VI. eigentlich hintenan, aber dann verliebt sich sein Bruder Edward, der alte Nazisympathisant, in eine zweimal geschiedene Frau aus den USA und will partout nicht von ihr lassen. (Näheres zu dieser Thron-Schmonzette demnächst in Madonnas nächstem Film "W. E.".)
Wie stets im Trivialen wird in "The Kings Speech" alles Politische auf ein privates Problem kleingestutzt - gerade aus der spannenden Frage des Konflikts der zwei Körper des Königs macht der Film gar nichts. Stattdessen stellt Drehbuchautor David Seidler die Männerfreundschaft zwischen Prinz Albert respektive King George und seinem Sprachtherapeuten Lionel Logue ins Zentrum eines Films, wie man ihn tausendundeinmal gesehen hat. Zum Steinerweichen und Gotterbarmen bezirzen einander mit Flüchen und Blicken und fließenden, schmeichelnden sowie stolpernden, ausbleibenden, dann gar gesungenen Worten Geoffrey Rush (Logue) und Colin Firth (Bertie).
Rush tut wie immer des Guten zu viel, Firth sehr ausdrücklich wenig: Schauspielerei der Güteklasse "Wenigstens sieht man was" ist es im einen wie anderen Fall. Dasselbe gilt für die Arbeit der Kamera, die mit ein paar sehr simplen Mitteln die Krisis der königlichen Sprachordnung evoziert: Fischauge, sei wachsam!
Den Oscar-Aussichten schadet das alles natürlich mitnichten. Die Academy liebt doch vor allem jene Dinge, die sich gleich dem ersten Blick präsentieren. Und auch, was der Film einspielt, sprengt längst die für dergleichen eigentlich engen Grenzen des zugegeben unterdessen etwas geschrumpften britischen Königreichs und seiner überseeischen Exkolonie.
Reaktionär, wie er ist, setzt der Film die Sinnhaftigkeit britischer Monarchie einfach voraus. Alle Aufmerksamkeit gilt dem Privatmann, und auch im Buckingham Palace gibts eine Küche, aus der sehr schlichte Psychologie nicht gerade frisch auf den Tisch kommt: Vom Vater, seinem König und Herrn, gezwiebelter Sohn kann nicht heraus mit der Sprache. Aber erst in der Überwindung von Hürden wird der Prinz und der Mann zum König und Helden. So gehen solche Geschichten. Nur wer an mediokrem Historienfilmkasperletheater seinen Spaß hat, muss sich das ansehen.
Mittwoch, 21 Uhr, Friedrichstadtpalast; 17. 2., 17.30 Uhr, Urania; läuft am 17. 2. im Kino an
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