Oscar-Verleihung am Sonntag in L.A.: Allzu glatter Favorit

"The King's Speech" über den stotternden König George VI. ist in zwölf Kategorien nominiert. Auch, weil er die unfehlbarste Oscar-Melange darstellt.

Kein Glamour ohne Arbeit: Die Oscar-Statuen werden im Kodak-Theatre in L.A. ausgepackt. Bild: reuters

Pünktlich zum Fest schlägt immer auch die Stunde der professionellen Spaßverderber. Christopher Hitchens zum Beispiel ist so einer. Wenige Tage, bevor die Oscars verliehen werden, hat sich der britische Polemiker den allseits favorisierten Film "The King's Speech" vorgenommen und ihn einen "nachträglich fabrizierten Mythos" genannt, der dazu diene, das britische Königshaus in den antifaschistischen Kampf einzubeziehen. In Wirklichkeit, so Hitchens, seien die Royals doch starke Verfechter einer Politik des "Appeasements" gegenüber Hitler gewesen.

Es hat natürlich immer etwas von Don Quijote, wenn ein Intellektueller mit Büchern in der Hand gegen einen Unterhaltungsfilm zu Felde zieht, in dem ein Star wie Colin Firth alle Register der Identifikation mit einem schwachen, stotternden Helden zieht. Aber es trifft auch sehr gut das Genre der Oscars, die ja immun sind gegen jede Vernunft und unfehlbar nach einer Quersumme aus den Ansprüchen des Geschäfts und der Ideen suchen, die niemandem wehtun soll.

Bis vor wenigen Wochen sah es noch so aus, als könnte mit David Finchers "The Social Network" in diesem Jahr ein Film in die Favoritenrolle gelangen, der fast schon aggressiv einen Gründungsmythos der Nullerjahre auseinandernimmt, nämlich den von Facebook. Dann aber kam "The King's Speech" in die Kinos, und plötzlich war da wieder dieser Kombinationseffekt aus bildungsbürgerlichem, historischen Sujet, gediegenem Schauspiel und einem gerüttelten Maß Rührung, der die unfehlbarste Oscar-Melange darstellt.

Zwölf Nominierungen gibt es für Tom Hoopers Konfektionsstück, das auch industriepolitisch bedeutsam ist, markiert es doch das Comeback der Weinstein-Brüder, die einstmals Quentin Tarantino entdeckten, ihr Geld aber immer mit Sachen wie "Shakespeare in Love" gemacht haben. Sie haben das Chaos um den Verkauf ihrer "unabhängigen" Firma Miramax an Disney überstanden und machen nun dort weiter, wo sie immer schon Hollywood dessen eigene Oscar-Rezepturen mit fast schon ostentativem Kalkül vor Augen geführt haben.

In allen einzelnen Kategorien gibt es berechtigte individuelle Favoriten, die vielleicht das große Abräumen von "The King's Speech" verhindern. Als "bester Film" ist "The Social Network" immer noch chancenreich, wenn auch die Tendenz der letzten Wochen dagegen zu sprechen scheint. Dass Colin Firth als bester Schauspieler aufgerufen werden wird, gilt als sicher, dabei wäre Jesse Eisenberg, der den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg spielt, viel eher preiswürdig - aber er ist wohl zu jung und sein Spiel auch zu experimentell für diesen Preis.

Hip mit James Franco

In der Kategorie der besten Hauptdarstellerin ist "The King's Speech" bezeichnenderweise nicht vertreten, hier deutet alles auf Natalie Portman in "Black Swan", wenn nicht eine kleine, nicht vollständig auszuschließende Sensation das Protokoll über den Haufen wirft: Die Newcomerin Jennifer Lawrence bringt mit "Winter's Bone" (der vor einem Jahr schon im Forum der Berlinale lief) einen dezidiert anderen Tonfall ins Spiel, wie insgesamt dieser harte Film von Debra Granik ein wenig unerwartet die harschen gesellschaftlichen Realitäten im amerikanischen Hinterland auf die große Bühne der Oscars bringt.

Sieht man von dem allzu glatten Favoriten einmal ab, ist das ohnehin eine eher differenzierte Auswahl in diesem Jahr. Mit dem mehrfach nominierten "The Kid's Are All Right" von Lisa Cholodenko taucht ein weiterer eigentlich dem Bereich der Unabhängigen zurechenbarer Film an prominenter Stelle auf (gute Chancen hat er im Bereich "Bestes Drehbuch"), und Darren Aronofskys "Black Swan" ist ja auch eher ein B-Picture, in dem Hochkultur und Schundimagination eine wilde Verbindung eingehen.

Aber auch das hat die Oscars in den vergangenen Jahren immer schon ausgezeichnet - ein selbstreflexives Gespür für die Grenzen des eigenen Ansatzes, über den sich traditionell vor allem die Moderatoren lustig machen. In diesem Jahr gibt James Franco den Conférencier, wodurch die Veranstaltung sich eine Dosis Hipness eingekauft hat. Franco wird für den Spaß sorgen, ohne ihn irgendjemandem zu verderben, und er wird sicher ein wenig stottern für die Show.

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