Ortsvereine von Rockergruppen veroten: Aus für "Bandidos" und "Angels"
Das schleswig-holsteinische Innenministerium verbietet zwei Ortsvereine der rivalisierenden Rockergruppen "Hells Angels" in Flensburg und "Bandidos" in Neumünster.
Es ist ein Schlag gegen die rivalisierenden Rockergangs in Schleswig Holstein: Am Donnerstag erklärte Innenminister Klaus Schlie (CDU) die "Hells Angels MC Charter Flensburg" und "Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster" mit sofortiger Wirkung für aufgelöst. 300 Polizeibeamte durchsuchten zehn Wohnungen sowie Vereinsheime der Rocker-Cliquen und übergaben 17 Mitgliedern der "Bandidos" sowie zwölf " Hells Angels" die Verbotsverfügungen. "Beide Vereine", erklärte der Minister, "verstoßen gegen Strafgesetze und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung".
Erst vor wenigen Monaten hatten die Bandidos in Neumünster-Gadeland eine offizielles Niederlassung eingerichtet. Um 7 Uhr morgens nahmen nun vermummte Polizisten das Logo - ein Mexikaner mit Sombrero auf dem Kopf, in den Händen Pistole und Machete - über dem Eingang wieder ab. Entsprechendes passierte bei den Hells Angels in Flensburg.
Ihren Ursprung haben Angels wie auch Bandidos in den USA: 1948 gründeten Angehörige der US-Bomberstaffel "Hells Angels" den gleichnamigen Club. Die Bandidos riefen Vietnam-Veteranen im Jahr 1966 ins Leben. In Europa sind die Bandidos vor allem in Dänemark aktiv, daher galten die "Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster" als eine Art Brückenkopf, um von dort aus den Angels den deutschen Norden streitig zu machen. Seit Monaten bereits tobt in Schleswig-Holstein eine heftige Auseinandersetzungen zwischen den beiden Organisationen, deren Stärke auf je 60 "Vollmitglieder" geschätzt wird.
"Diese Gruppen haben sich zusammengeschlossen um kriminelle Geschäfte zu betreiben", sagt Stefan Jung, Sprecher des Landeskriminalamts in Kiel. Beide Gruppen sind demnach in den "klassischen Deliktfeldern" aktiv: Prostitution, Schutzgelderpressung sowie Drogen- und Waffenhandel.
Minister Schlie zufolge verfolgen die Vereine das Ziel, "in einem bestimmten Gebiet kriminelle Macht zu entfalten und diese Machtansprüche gegen den jeweils anderen Verein mit Waffengewalt durchzusetzen". Gegen beide Clubs laufen Ermittlungen wegen Körperverletzung, Nötigung und Verstöße gegen das Waffengesetz. "Die Straftaten stellen sich sichtbar als Aktivitäten der Vereine dar", so Schlie. "Es handelt sich hier nicht um harmlose Motorradclubs, deren Mitglieder sich zu friedlichen Wochenendausflügen treffen." Nach eigenen Angaben hatte das Innenministerium die nun vollzogenen Verbote hinter den Kulissen von langer Hand vorbereitet und begründet sie nun auch rechtlich gut. Das Verbot betrifft aber nicht die sonstigen Gliederungen der beiden Rockergruppen im Norden: Weiterhin aktiv bleiben Hells-Angels-Gruppen in Kiel, Lübeck und Alveslohe. Auch die Bandidos haben noch ein "Chapter" in Kiel. Jede dieser Ortsgruppen ist ein juristisch selbstständiger Verein.
Drei Mal sind hierzulande bereits Verbote gegen Rockerclubs ausgesprochen worden. In Hamburg verbot 1983 Innensenator Alfons Pawelczyk (SPD) die örtlichen Hells Angels, auch in Düsseldorf und Brandenburg erfolgte Verbote. Nichtsdestotrotz sind die Angels - etwa unter der Bezeichnung "Harbour City" - auch in Hamburg weiter im Rotlichtmilieu aktiv: als Zuhälter oder mit dem Betrieb von Bars und Bordellen. Gegenüber der Boulevardpresse präsentieren sie sich gerne als Ordnungsfaktor auf dem St. Pauli-Kiez. Tatsächlich sind sie unter Sexarbeiterinnen aber ziemlich unbeliebt, gelten als ausbeuterisch und brutal auch gegenüber "ihren" Frauen.
Das Kieler Innenministerium warnte nun vor überzogenen Erwartungen, dass der Rockerspuk im Norden vorbei sei. Trotz der Verbote könne man "nicht ausschließen, dass es weiter gewalttätige Auseinandersetzungen im kriminellen Rotlichtmillieu geben wird", sagte Schlie am Donnerstag. Die Vereine seien zwar verboten, ihre Mitglieder aber gebe es ja nach wie vor: "Die Polizei wird die Szene weiterhin sorgfältig beobachten." Sollte nur "ansatzweise gegen das Verbot verstoßen" werden, gelte eine "Null-Toleranz-Strategie".
Eine Wirkung erhofft man sich im Ministerium aber durchaus: Dass durch die Verbote der "organisatorische Zusammenhalt" zerschlagen sowie die "finanzielle Grundlage" entzogen werde. Und schließlich könnten sich verbotene Rockerclubs nicht mehr als mächtige Organisationen präsentieren. Das schmerze sie, so Innenminister Schlie, "weil der martialische Auftritt wesentlicher Inhalt ihres kranken Verständnisses von Macht und Stolz ist".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül