Orthodoxe Kirche in Serbien: Jungbrunnen an der Spitze
Porfirije, der 60-jährige bisherige Metropolit von Zagreb und Ljubljana, wird zum Patriarchen gewählt. Er steht Staatspräsident Aleksandar Vučić nahe.
„Ich bitte alle, für meine Wenigkeit zu beten, dass wir alle den Weg einschlagen, den unsere Vorfahren geebnet haben, und des himmlischen Reiches würdig werden“, lauteten die ersten an die Öffentlichkeit gerichteten Worte des frisch gekürten Patriarchen.
Das Auswahlprozedere des serbischen Kirchenoberhauptes wurde von Spekulationen überschattet, ob das Regime versuchen würde, die Wahl eines regimekritischen Kandidaten für die „apostolische Verlosung“ zu verhindern und dem Heiligen Geist keinen politischen Spielraum zu lassen.
Eine Einigung auf bestimmte Kandidaten fand anscheinend im luxuriösen Hotel „Moskva“ im Zentrum Belgrads statt, wo der einflussreiche Bischof Irinej, der geistliche Ziehvater von Porfirije, am Vorabend der Patriarchenwahl bei Kaffee und Kuchen für seine Kandidaten lobbyiert hatte. Anscheinend mit Erfolg. Alle drei Bischöfe, die sich für die Endrunde qualifizierten, gehören der gleichen dem serbischen allmächtigen Staatspräsidenten Aleksandar Vučić nahestehenden Fraktion an.
Gute Zusammenarbeit
Einige jüngere Mitglieder der orthodoxen Kirchengemeinschaft waren entgeistert wegen so viel offenkundiger Politik und so wenig Geistlichkeit bei der Wahl des Patriarchen. Das apostolische Los sollte theoretisch zwischen Kandidaten entscheiden, die aufgrund ihrer geistlichen und menschlichen Qualitäten für das Amt geeignet sind und nicht wegen weltlicher politischer Sympathien gewählt werden. Regimekritische Medien berichten, dass Präsident Vučić sich vom neuen Patriarchen eine gute Zusammenarbeit erwarten könne.
Porfirije, geboren als Prvoslav Perić in einem kleinen Ort in der Vojvodina, unterrichtete als Nachfolger des berühmten serbischen Psychiaters Vladeta Jerotić an der Theologischen Fakultät in Belgrad das Fach „Psychologie des Hirten“. Er gründete eine bürgerliche Organisation für die „Resozialisierung von Opfern destruktiver Sekten und Kults“ sowie eine Stiftung, die begabte Schüler aus armen Familien fördert.
Im Jahr 2005 ernannte ihn das Parlament zum Vertreter aller Glaubensgemeinschaften in Serbien im Rat für die Kontrolle elektronischer Medien. Die Heilige Synode vertraute ihm die Aufgabe an, den Weg für die Einführung des Priesterdienstes in der serbischen Armee zu ebnen. Zum Metropoliten von Zagreb und Ljubljana wurde er 2104 ernannt.
Dem Mönchsorden trat Porfirije 1985 in dem im Kosovo liegenden mittelalterlichen serbisch-orthodoxen Kloster Visoki Dečani, der Wiege des Serbentums, bei. Manche Medien behaupten, dass er in der Kosovo-Frage moderater sei als viele orthodoxe Würdenträger, die die Unabhängigkeit des Kosovo als eine vorübergehende Okkupation der heiligen serbischen Erde betrachten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann