Organisierte Kriminalität in Deutschland: Kokain und Cybercrime
Der Schaden durch Organisierte Kriminalität steigt laut BKA auf 2,7 Milliarden Euro. Was die Ampel-Regierung dagegen unternimmt und woran es hakt.
Den Lagebericht stellen BKA-Präsident Holger Münch und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag in Berlin vor. Demnach wurden im vergangenen Jahr 642 Verfahren zur Organisierten Kriminalität geführt, fast so viele wie im Vorjahr. 264 davon betrafen Rauschgifthandel, 111 Wirtschaftskriminalität. Mit Abstand folgen 62 Verfahren zu Eigentums- und 58 zu Schleusungsdelikten. In einem Drittel der Verfahren kam es zu Geldwäscheaktivitäten: Mindestens 166 Millionen Euro illegaler Gelder wurden so in Handelsgüter oder Immobilien investiert – auch hier ist das Dunkelfeld groß. Die meisten Verfahren wurden in Nordrhein-Westfalen geführt, gefolgt von Niedersachsen, Bayern und Berlin.
Ermittelt wurde gegen 7.347 Tatverdächtige, ein Drittel davon Deutsche. Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen stieg um 10 Prozent an. Ein Zehntel der Personen, gegen die ermittelt wurde, war staatenlos oder es konnte die Staatsangehörigkeit bisher nicht geklärt werden, etwa in Fällen von Cybercrime. Die kleinste Gruppierung bestand aus drei Mitgliedern, die größte aus 279 Personen.
Der Behörden gelang es im vergangenen Jahr bei Kriminellen 83 Millionen Euro an Vermögen zu beschlagnahmen. Im Vorjahr waren es noch 228 Millionen Euro. Das BKA verweist hier darauf, dass viele Verfahren noch liefen und die Einziehungen erst am Ende erfolgten. In anderen Fällen fehlten Anordnungen der Justiz oder das Geld der Kriminellen war schon aufgebraucht oder nicht auffindbar.
Hohe Gewaltbereitschaft in dem Milieu
Das BKA warnt auch vor der hohen Gewaltbereitschaft in dem Milieu. In gut einem Drittel der Verfahren sei es zu Gewalt gekommen. Es habe drei Morde und 11 Mordversuche gegeben. In 318 Fällen wurden Schusswaffen festgestellt.
Die Ermittler stellt auch vor der Herausforderung, dass die Tatverdächtigen in 24 Prozent der Verfahren verschlüsselte Kommunikation nutzten. Bereits 2020 aber war es französischen Sicherheitsbehörden gelungen, den international genutzten, kryptierten Encrochat-Dienst zu infiltrieren und zu entschlüsseln, der auch von Kriminellen genutzt wurde. Europaweit gab es daraufhin 6.500 Festnahmen. Auch gegen 3.000 in Deutschland ansässige Nutzer wurde ermittelt. Ob die geknackten Chats vor deutschen Gerichten verwendet werden dürfen, ist aber bis heute umstritten.
Vor allem der internationale Drogenhandel, allen voran mit Kokain, besorgt die Sicherheitsbehörden. Auch wenn die Gesamtzahl der Verfahren hier um ein Zehntel sank, führt dieses Feld die Statistik weiter an. Faeser hatte sich im Mai mit Minister*innen aus Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande und Spanien in Hamburg getroffen und einen verstärkten Kampf gegen internationalen Drogenhandel angekündigt. Allein im Hamburger Hafen waren 2023 fast 34 Tonnen Kokain beschlagnahmt worden – vier Jahre zuvor waren es 9,5 Tonnen. Die Runde beschloss, Finanzermittlungen zu forcieren und die Zusammenarbeit mit südamerikanischen Staaten zu verbessern. Auch sollen in europäischen Häfen die Kontrollen verstärkt werden.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plant zudem ein Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität, bereits im Herbst 2023 legte er dafür einen Gesetzentwurf vor. Die Grünen kritisieren allerdings fehlende Befugnisse und fordern dafür eine Verabschiedung des sogenannten Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetzes. Das ist bisher nicht erfolgt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört