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Opposition in der TürkeiFast zehn Jahre Haft

Die Chefin des Istanbuler Verbands der CHP, Canan Kaftancioglu, wird verurteilt. Die Vorwürfe: terroristische Propaganda und Beleidigung Erdogans.

Plakat mit Foto der CHP-Chefin Canan Kaftancioglu in Istanbul. Urteil: fast zehn Jahre Haft Foto: reuters

Istanbul taz | Eine der wichtigsten Oppositionspolitikerinnen der Türkei, Canan Kaftancioglu, ist am Freitagnachmittag von einem Strafgericht in Istanbul zu neun Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Ihr Vergehen: Sie soll mit Tweets, die sie selbst geschrieben oder weitergeleitet hatte, den Präsidenten beleidigt, Terrorpropaganda betrieben oder sich der Volksverhetzung schuldig gemacht haben. Ihr eigentliches Vergehen: Sie ist die Organisatorin des Wahlsieges der Opposition in Istanbul.

Canan Kaftancioglu ist die Vorsitzende der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP in Istanbul. In dieser Eigenschaft war sie mit daran beteiligt, den späteren Wahlsieger Ekrem Imamoglu, einen bis dahin weitgehend unbekannten Bezirksbürgermeister, zum Kandidaten für den Posten des Oberbürgermeisters vorzuschlagen.

Später organisierte sie dann den erfolgreichen Wahlkampf von Imamoglu maßgeblich mit. Nachdem der Wahlsieg Imamoglus auf Drängen von Präsident Recep Tayyip Erdogan annulliert worden war und die Wahl vom März im Juni wiederholt werden musste, war es wiederum Canan Kaftancioglu, die für die Unterstützung von Imamoglu erfolgreich mobilisierte.

Canan Kaftancioglu gehört zum linken Flügel der CHP. Ihrem Engagement ist es maßgebend zu verdanken, dass viele Anhänger der kurdisch-linken HDP in Istanbul Imamoglu gewählt haben und nicht einfach zu Hause geblieben sind, nachdem die HDP darauf verzichtet hatte, selbst einen Kandidaten für den Oberbürgermeister zu nominieren.

Kontakt zur HDP gehalten

Diese Stimmen waren mit entscheidend für den Wahlsieg der Opposition. Auch nach diesem Erfolg war es Canan Kaftancioglu, die den Kontakt zur HDP gehalten und mit dafür gesorgt hat, dass sich die CHP mit den aus dem Amt gejagten HDP Bürgermeistern in Diyarbakir, Van und Mardin solidarisierte.

Die CHP ist deshalb davon überzeugt, dass der Prozess und die Haftstrafe gegen Canan Kaftancioglu ein politischer Racheakt der AKP und des Präsidenten ist. Die Anklage basiert ausschließlich auf Meinungsäußerungen auf Twitter aus den Jahren 2012 bis 2017.

Die Staatsanwaltschaft hatte sogar 17 Jahre Haft gefordert. Das jetzt ergangene Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Anwälte von Canan Kaftancioglu legten unverzüglich Berufung ein, weshalb die Politikerin auch erst einmal auf freiem Fuß bleibt.

Gegenüber Journalisten sagte Canan Kaftancioglu : „In diesem Land werden Urteile nicht nach dem Gesetz gefällt, sondern das Gesetz wird den gewünschten Strafen angepasst“. Sie gehe davon aus, dass „das Urteil im Präsidentenpalast und nicht im Gericht festgelegt wurde“.

Canan Kaftancioglu ist allerdings nicht die einzige, die in den vergangenen Jahren wegen Präsidentenbeleidigung verurteilt wurde. Im Gegenteil: Seit Recep Tayyip Erdogan 2014 zum Präsidenten gewählt wurde, ist die Zahl von Anklagen und Verurteilungen wegen Beleidigung des Präsidenten extrem angestiegen.

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4 Kommentare

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  • Ok, drei Gänge herunterschalten für Leo Brux. 1. Themaverfehlung empfinde ich als Totschlagargument. 2. Sie haben aber schon mitbekommen, dass Imamoglu in den Himmel gelobt wurde, im zweiten Wahlgang mehr Stimmen als im ersten?? 3. Jetzt wird verkündet, die verurteilte Dame habe entscheidend am Wahlsieg mitgearbeitet; damals wurde das nicht verkündet, einfach mal die Quelle oder viele andere nachlesen. Zu bequem dazu und mit der Keule "unverständlich" dann zuschlagen. Unter Pubertierenden absolut üblich. 4. Dass E diesen Sieg, er war selber mal dort Bürgermeister und ein Viertel Türken leben dort, nicht einfach hinnimmt, ist so klar wie dicke Fleischbrühe. Das nicht zu thematisieren habe ich moniert. 5. Dann noch einen kleinen Ausflug in den journalistischen Alltag gemacht mit dem Hinweis, dass man da mehr erfahren kann als Otto Normalverbraucher -oder Bürger. Das habe ich ein bisschen ausgemalt mit einem Seitenhieb auf Frau Merkel als "Mutti" (für mich journalistischer Unfug), was sie definitiv nicht ist und dort unter Beweis gestellt hat. Kann man nicht so ohne Weiteres verstehen, wenn man will aber schon. "Übergriffig" scheint Ihnen als Wort nicht geläufig zu sein, dafür gibt es google, Wiki und vieles mehr. Hielt ich bei taz-Lesern für selbstverständlich.

  • Wenn ich so etwas über Erdogan und seine (!) Justiz lese, denke ich auch an die vielen deutschtürkischen Erdogan-Fans, die genau solche repressive Politik in der Türkei gut finden. Ich denke an die vielen Deutschtürken, die völkisch-nationalistisch bzw. islamistisch-nationalistisch orientiert sind und in Erdogan ihren Helden sehen.

    Und ich denke an den Teil der eher Links-Stehenden, der es für "rassistisch" oder zumindest türkenfeindlich hält, wenn ich diese Parteinahme feststelle und ausspreche.

    Drittens: Soeben droht Erdogan wieder mit der Grenzöffnung für syrische Flüchtlinge. Anlass für noch mehr Beschwichtigungspolitik Deutschlands und der EU?

  • Hier kein Sterbenswörtchen zu der jetzt verurteilten Dame: taz.de/Wahlsieg-in...+sieg+in+istanbul/. Ich empfinde das als eklatanten Fehler der Schreibenden, die es besser hätten wissen können. Auch hätte man vorhersehen können, immerhin mit den üblichen journalistischen Fragezeichen, dass dergleichen ansteht. Auch dazu nichts. Ohne kenntnisreiche, korrekte und konsequente Berichterstattung, insbesondere im Zusammenhang mit E, verfehlt die 4. Macht im Staate regelmäßig eigentlich den ihr zugestandenen Auftrag. Immerhin kommen Medienvertreter dorthin, wohin kein normaler Mensch hinkommt und Ähnliches mehr. Habe noch nie ein Interview mit Frau Merkel führen können, sie noch nie aus der Nähe gesehen oder anfassen können, so wie sie es damals mit dem Flüchtlingsmädchen Reem, wider allen Üblichkeiten (ein 14-jähriges unbekanntes Mädchen streichelt frau nicht mehr, das ist übergriffig) getan hat.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Mir von vorn bis hinten unverständlich, was Sie schreiben, Heliumatmer. Irgendwie "übergriffig". Themaverfehlung außerdem.