Opposition in Russland: 25 Jahre für einen „Feind des Volkes“
Der Politiker Wladimir Kara-Mursa war unter anderem wegen Staatsverrats angeklagt. Am Montag ist das Urteil in Moskau gefallen: 25 Jahre Haft.
Dem 42-jährigen, der seit dem 22. April 2022 in einem Untersuchungsgefängnis in Moskau einsitzt, wurden „Falschaussagen über die russische Armee“, „Führung einer unerwünschten Organisation“ sowie „Staatsverrat“ zur Last gelegt. An diesem Montag ist das Urteil ergangen. Die Staatsanwaltschaft, die den Angeklagten in ihrem Schlussplädoyer als „Feind“ bezeichnet hatte, hatte 25 Jahre Lagerhaft unter verschärften Bedingungen gefordert. Und 25 Jahre Haft sind dann am Montag als Urteil gefallen.
Kara-Mursa, der in Cambridge ein Studium in Kunstgeschichte abschloss und neben der russischen auch die britische Staatsbürgerschaft hat, ging Anfang der Nullerjahre in die Politik. Von 2003 bis 2006 war er Berater des damaligen Duma-Abgeordneten und Putin-Kritikers Boris Nemzow, der am 27. Februar 2015 im Zentrum von Moskau erschossen wurde. Ab 2011 engagierte sich Kara-Mursa in der Protestbewegung, die faire und freie Wahlen in Russland forderte.
Im selben Jahr war er als Repräsentant der russischen Opposition im US-Kongress an Verhandlungen über ein Gesetzesprojekt beteiligt, um russische Beamte wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen mit persönlichen Strafmaßnahmen wie Einreise- oder Kontensperren belegen zu können. Der sogenannte Magnitsky Act, benannt nach dem 2009 in Haft zu Tode gefolterten Rechtsanwalt Sergei Magnitzki, wurde 2012 von US-Präsident Barack Obama unterzeichnet.
Auf der Sanktionsliste
Einer der Ersten, die auf der Sanktionsliste landeten, war der Richter Sergei Podoprigorow, der den Vorsitz im Gerichtsverfahren gegen Kara-Mursa führt. Er soll sich 2017/18 persönlich an das US-Finanzministerium mit dem Ersuchen gewandt haben, ihn von der Liste zu löschen.
2015 wurde Kara-Mursa infolge von Vergiftungen – Proben waren im Ausland untersucht worden – in lebensbedrohlichem Zustand in ein Krankenhaus eingeliefert, das Szenario wiederholte sich 2017. Im Februar 2021 veröffentlichten Journalist*innen des investigativen Recherchenetzwerkes Bellingcat einen Bericht. Demnach gehen sowohl die Anschläge auf Kara-Mursa als auch der versuchte Giftmord an dem Oppositionellen Alexei Nawalny im Jahr 2020 auf das Konto ein und derselben Gruppe von Angehörigen des russischen Geheimdienstes FSB.
Nach jeweils monatelangen Reha-Maßnahmen leidlich wiederhergestellt, machte Kara-Mursa weiter. 2019 übernahm er den Posten des Vize-Vorsitzenden der Stiftung „Freies Russland“, die in Russland mittlerweile zu einer unerwünschten Organisation erklärt worden ist.
Den Ausschlag für das aktuelle Gerichtsverfahren könnte sein Auftritt vor der Abgeordnetenkammer des US-Bundesstaates Arizona am 15. März 2022 gegeben haben. In einer Generalabrechnung mit dem Putin-Regime sprach er von „Bombenabwürfen auf Wohngebiete, Krankenhäuser und Schulen in der Ukraine“.
Auch jetzt ist Kara-Mursa gesundheitlich stark angeschlagen. Er leidet unter einer Erkrankung des Nervensystems, die zu einer Lähmung der Beine führen kann. Laut einer nahen Verwandten soll er während seiner Haft 22 Kilogramm Gericht verloren haben. Hoffnung habe sie keine, das Urteil werde hart ausfallen, so die Frau gegenüber der taz vor der Bekanntgabe des Urteils. Sollten die Behörden Kara-Mursa nach seiner Verurteilung in eine weit von Moskau entfernte Haftanstalt verlegen lassen, werde er das nicht überleben.
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