Opposition in Polen: Rechte Demonstration der Schwäche
Zur Demo der Nationalkatholiken in Polen kamen nur 50.000 statt der erwarteten 200.000 Teilnehmer. Trotz des populistischen Mottos „Polen erwache“.
WARSCHAU taz | Polens rechtsnationale Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit hat den Mund zu voll genommen: Statt der erwarteten 200.000 Demonstranten kamen am Samstag gerade mal 50.000 aus ganz Polen nach Warschau, um gegen die liberalkonservative Regierung zu demonstrieren.
Sie forderten so unterschiedliche Dinge wie eine digitale Sendelizenz für das nationalkatholische Fernsehen Trwam, ein niedrigeres Renteneintrittsalter oder ganz allgemein „die Wahrheit“. Die gewählte Parole „Polen, erwache!“ schreckte ab, erinnerte sie doch fatal an das NSDAP-Kampflied „Deutschland, erwache!“.
Vor allem die Fans der nationalkatholischen Sender Radio Maryja und TV Trwam solidarisierten sich mit dem Fernsehprediger und Medienmogul Pater Tadeusz Rydzyk. Er klagt seit Monaten, dass sein TV-Sender keine Lizenz im künftigen Digitalnetz Multiplex bekomme. Dass Rydzyk aber im Unterschied zu den anderen TV-Betreibern nicht die geforderten finanziellen Sicherheiten für die nächsten Jahren vorweisen kann oder will, erwähnt er nicht. Lieber spricht er von „Diskriminierung der Katholiken im eigenen Land“.
Da die erzkatholischen Anhänger des Redemptoristenpaters auch Wähler und Finanziers der Partei Recht und Gerechtigkeit sind, verband Parteichef Jaroslaw Kaczynski die Demo mit einem Parteitag. Am Montag will er den Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorstellen. Bald will er auch ein Misstrauensvotum gegen die liberalkonservative Regierung von Donald Tusk einbringen.
Das selbst vorgegebene Demoparole „Polen, erwache!“ zwang die Redner zu größter Zurückhaltung. Die Gefahr, in Nazijargon abzugleiten,. war allen bewusst. Nur Kaczynski schwadronierte selbst vom „Endsieg“, den seine Partei nach den „Etappensiegen“ erringen werde. Als der Einpeitscher dann aber über Mikrofon skandierte: „Wir siegen! Wir siegen!“, war das den meisten Demonstranten doch zu platt. Nur wenige machten mit.
Auch Piotr Duda, der Vorsitzende der einst berühmten Gewerkschaft Solidarnosc, hielt sich zurück. Gegen die Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre protestierte er mit den zahmen Worten: „Es ist Zeit für einen Wandel.“ Dass diejenigen, die andere aufforderten, den Gürtel enger zu schnallen, selbst ein „dickes Portemonnaie in der Tasche“ hätten, quittierten die Zuhörer mit Schulterzucken und einzelnen Buhrufen. Zufrieden waren sie, als Duda verkündete, die Gewerkschaft werde sowohl Pater Rydzyk als auch Kaczynskis Partei darin unterstützen, Polens derzeitige Regierung zu stürzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl