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Opposition in NicaraguaEin Kandidat als Feigenblatt

Der umstrittene Óscar Sobalvarro wird Präsident Ortega bei der Wahl im November herausfordern. Die meisten anderen Kandidaten sitzen im Gefängnis.

Óscar Sobalvarro und die ehemalige Miss Nicaragua Berenice Quezada während einer Veranstaltung Foto: Jorge Torres/imago

Wien taz | Der Viehzüchter Óscar Sobalvarro wird als Kandidat einer Oppositionsallianz Nicaraguas Präsidenten Daniel Ortega herausfordern. Am Mittwoch hat die Bürgerallianz für die Freiheit (ACxL) den 60-Jährigen für die Wahlen am 7. November nominiert. Als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft wird ihn die Miss Nicaragua 2017 Berenice Quezada begleiten.

Manche erinnern sich an Sobalvarro noch unter dem Pseudonym Comandante Rubén, einen der Anführer der konterrevolutionären Truppen, besser bekannt als Contras, die jahrelang gegen die sandinistische Revolution ankämpften und 1989 einen Friedensvertrag unterzeichneten.

Eine regierungsoffizielle Untersuchung aus dem Jahr 2006 wirft Sobalvarro vor, nach dem politischen Umbruch Anfang der 1990er Jahre mit illegaler Abholzung ein Vermögen gemacht zu haben. Sein Unternehmen Maprenic habe Mahagoni und andere Edelhölzer aus dem Naturreservat Bosawás geholt und verkauft. Sobalvarro hat diesen Vorwurf gegen die Aussage zahlreicher Zeugen stets bestritten. Der Eigentümer eines großen Sägewerks an der waldreichen Atlantikküste betätigt sich heute vor allem als Viehzüchter.

Seine Nominierung ist auch innerhalb seiner Allianz umstritten, denn ursprünglich war er nicht einmal als Vorkandidat aufgestellt. Von den vier Vorkandidaten sitzen inzwischen drei im Gefängnis. Ihnen wird Landesverrat oder Verschwörung vorgeworfen weil sie sich einmal an Protesten gegen die Regierung beteiligt haben oder für Organisationen arbeiten, die Geld aus dem Ausland bekommen. Der Vierte, der Social-Media-Aktivist und Influencer Américo Treminio, wurde mit der Nominierung von Sobalvarro übergangen.

Umstrittene Vizekandidatin

Die ACxL ist die konservativste der Koalitionsallianzen. Eine andere, die Coalición Nacional, darf gar nicht antreten, weil der einzigen beteiligten Partei, die legal eingeschrieben war, im Mai die Rechtspersönlichkeit entzogen worden war. Innerhalb der Opposition ist es höchst umstritten, ob man sich überhaupt an den Wahlen beteiligen soll. Denn Präsident Ortega, der seit mehr als 14 Jahren zunehmend tyrannisch regiert, hat keine der von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aufgestellten Bedingungen erfüllt.

Eine Wahlgesetzreform macht es Oppositionellen noch schwieriger, teilzunehmen. Weder unabhängige Beisitzer, noch internationale Wahlbeobachter sind zugelassen. Und von den sieben Vorkandidatinnen und -kandidaten wurden seit Ende Juni sechs eingekerkert oder unter Hausarrest gestellt. Auch die Führung der von sandinistischen Dissidenten gegründeten Oppositionspartei Unamos sitzt seit Monatsbeginn hinter Gittern. Nach einer Strafprozessnovelle können Verdächtige 90 Tage in Untersuchungshaft gehalten werden.

Berenice Quezada wurde von Sobalvarro ausgewählt, weil er ihre Familie seit langem kennt. „Was gibt es Besseres, als ein junges Gesicht mit großer menschlicher Einfühlsamkeit“, begründete er seine Entscheidung in einem Interview mit der oppositionellen Online-zeitung confidencial.com.ni.

Die 27-jährige Schönheitskönigin wurde zwar 2018 bei den Massenprotesten gegen das Regime gesehen, modelt aber auch für eine Agentur der Präsidententochter Camila Ortega und hat in den sozialen Medien immer wieder Aufrufe zu Pro-Ortega-Aufmärschen geteilt.

Es liegt nahe, dass die unter den gegebenen Umständen aussichtslose Kandidatur, Daniel Ortega als willkommenes Feigenblatt für seine bevorstehende Wahlfarce dient. Auf die Frage, was er machen würde, wenn die internationale Gemeinschaft dem Wahlsieger die Anerkennung verweigert, antwortete Comandante Rubén ausweichend.

Der Schriftsteller Sergio Ramírez, selbst einst Vizepräsident an Ortegas Seite, vertritt in der argentinischen Tageszeitung Clarín die Meinung, dieser werde nach seiner Wiederwahl die politischen Gefangenen als Geiseln benutzen, um internationale Anerkennung zu erpressen.

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