Opfer von S21-Polizeigewalt zum Prozess: „Sie müssen bestraft werden“
Daniel Kartmann wurde durch Wasserwerfer an den Augen verletzt. Statt Polizisten würde er lieber Ex-Landeschef Mappus angeklagt sehen.
taz: Herr Kartmann, wie geht es Ihnen kurz vor Prozessauftakt?
Daniel Kartmann: Ich bin ziemlich aufgeregt. Es hat lange gedauert, bis es jetzt zum Prozess gekommen ist. Der Alltag hat viel Erinnerungen beiseitegeräumt. Jetzt kommt vieles wieder hoch, man muss sich erinnern. Davor habe ich Respekt, das ist belastend. Viele hatten gezweifelt, dass es überhaupt zum Prozess kommt. Aber ich bin froh, dass es jetzt so weit ist.
Was erhoffen Sie sich?
Ich hoffe, dass die Verantwortlichen des Einsatzes, bei dem ich und andere verletzt wurden, bestraft werden. Es ist jetzt zwar nur die mittlere Verantwortungsebene vor Gericht, aber auch sie haben zum Geschehen beigetragen. Dafür müssen sie bestraft werden. Ich habe Vertrauen in das Stuttgarter Gericht. Ich erhoffe mir aber auch, dass durch den Prozess erneut über den Fall diskutiert wird und die obersten politischen Verantwortlichen wieder in den Fokus geraten. Vielleicht gelingt es noch irgendwann, auch sie zur Verantwortung zu ziehen. Salopp gesagt: Ich wünsche mir, dass auch Stefan Mappus – der ehemalige CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg – auf die Anklagebank kommt.
Wie hat der schwarze Donnerstag Ihr Leben verändert?
Ich wurde an diesem Tag vollkommen unerwartet verletzt. Zum einen körperlich. Zum anderen als Bürger eines demokratischen Landes. Das musste ich erst mal verarbeiten. Mein Umfeld hat mich mit Fragen konfrontiert: Warum bist du als Familienvater da überhaupt hingegangen? Ich habe daraufhin meine eigene Position überdacht, letztlich aber gelernt, für das zu stehen, was ich da getan habe. Ich werde weiterhin lautstark meine Meinung sagen. Seit dem Donnerstag bin ich politisch wacher und kritischer geworden.
37, lebt und arbeitet als Musiker und Theatermacher in Stuttgart.
Sie wurden an den Augen verletzt, was genau ist passiert?
Mich hat ein Wasserwerferstrahl ins rechte Auge getroffen. Wegen der äußeren Verletzungen hat man erst zwei Wochen später entdeckt, dass meine Netzhaut gerissen ist und sich ablöst. Sie musste wieder zusammengeflickt werden. Seither zieht sich aber meine Pupille nicht mehr zusammen, ich bin sehr lichtempfindlich. Ich werde täglich daran erinnert, wenn die Sonne scheint. Ich kann nicht mehr in den Schnee, das ist zu hell und damit gefährlich. Die Angst, dass ich nicht mehr arbeiten kann, war zum Glück unbegründet.
Gehen Sie noch auf Demos?
Ja, ich bin erst nach dem schwarzen Donnerstag richtig aktiv geworden und habe mich an den Aktionen gegen den Abriss des Südflügels beteiligt. Ich habe mich bewusst dem Protest angeschlossen. Ich bin ziemlich gefestigt in der Überzeugung, dass man Zivilcourage zeigen muss, auch wenn vom Arm des Staates Gewalt ausgeht. Ich lasse mich nicht einschüchtern.
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