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Opfer des Paragrafen 175 verstorbenNie rehabilitiert

Wolfgang Lauinger saß wegen seiner Homosexualität monatelang in Haft – sowohl vor als auch nach 1945. Eine Entschädigung hat er nie erhalten.

Wie kann das sein? Bis zum seinem Tod widerfuhr Wolfgang Lauinger Ungerechtigkeit Foto: Wikimedia/CC BY-SA

Berlin taz | In der Nacht zum Mittwoch verstarb Wolfgang Lauinger im Alter von 99 Jahren in Frankfurt am Main. Lauinger war einer der ältesten Betroffenen des Paragrafen 175 im Strafgesetzbuch, der Homosexualität in der Bundesrepublik Deutschland bis 1994 unter Strafe stellte. Bis zu seinem Tod kämpfte er für eine Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des Paragrafen. Er selbst erhielt diese nie.

Lauinger wurde bereits von den Nazis wegen seiner Homosexualität verfolgt. Zweimal nahm ihn die Gestapo 1941 fest und ließ ihn beim zweiten Mal erst nach sieben Monaten wieder gehen. Er tauchte 1942 unter und kehrte nach Kriegsende wieder in seine Heimatstadt Frankfurt am Main zurück. Doch auch in der Bundesrepublik hatte er keine Ruhe. 1950 wurde er nach einer Razzia erneut verhaftet und saß acht Monate lang in Haft. Anschließend wurde er freigesprochen.

Jahrelang hat sich Lauinger für ein Gesetz zur Entschädigung der Opfer des Paragrafen 175 eingesetzt. Im Juni hat der Bundestag das Entschädigungsgesetz endlich beschlossen. Das Bundesamt für Justiz lehnte allerdings Wolfgang Lauingers Antrag auf Entschädigung im Oktober ab – weil er damals nicht verurteilt, sondern freigesprochen wurde.

„Das setzt der Sache die Krönung auf“, sagte der 99-Jährige in einem Interview mit Buzzfeed Deutschland Anfang Dezember. „Wo ist denn das für einen normalen Menschen ein Unterschied, wenn du fünf Monate lang im Gefängnis sitzt, ob du nachher freigelassen wirst?“

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Wolfgang Lauinger über sein Leben

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Lauinger schrieb einen Brief an Justizminister Heiko Maas und fragte ihn, ob das gerecht sei. Maas antwortete gegenüber Buzzfeed, dass sich der neue Bundestag mit der Änderung des Gesetzes befassen müsse – und schob die Entschädigung für Lauinger damit weiter auf.

„Wie ist es möglich, dass ein Land, das so viel Unglück, so viel Zerstörung und so viel Wahnsinn erfahren hat, heute nach siebzig Jahren noch nicht in der Lage ist, sich restlos aus dieser Klammer zu befreien?“, fragte Lauinger zum Abschluss des Interviews.

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2 Kommentare

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  • Gerechtigkeit verschleppt ist Gerechtigkeit verweigert.

    • @Sergej Prokofiev:

      ... und zwar mit Ansage! Schweinerei.