: Operation mit unklarem Ausgang
Den NPD-Verbotsantrag hatte Innenminister Schily sich so schön vorgestellt: Er prescht mit einigen fest Entschlossenen vor, und alle machen mit. Klappt aber nicht: In allen Parteien gibt es Bauchschmerzen – bis hin zur Ablehnung des gesamten Vorhabens
von PATRIK SCHWARZ
Am Tag nach Otto Schilys Vorstoß für ein NPD-Verbot wird deutlich: Der Bundesinnenminister hat die Gegner dieses Schrittes überrumpelt – sowohl im rot-grünen Regierungslager wie in den Reihen der Opposition von CDU und CSU. Unklar ist, ob ihm der Überraschungseffekt helfen wird, seinem Ziel näher zu kommen, nämlich Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung zu einem gemeinsamen Antrag auf ein Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht zu bewegen. Gestern meldeten sich Kritiker des Verbots aus allen Teilen des parlamentarischen Spektrums zu Wort.
Strittig sind je nach politischer Position die grundsätzliche Sinnhaftigkeit eines Verbotes, aber auch die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags in Karlsruhe. Der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, hält den Schritt ebenso für problematisch wie der Unions-Fraktionschef Friedrich Merz. Während Beck von „unabsehbaren Gefahren“ warnte, den großen Aufstand gegen Schily aber vorerst vermeiden will, behält Merz sich eine Ablehnung der Maßnahme im Bundestag vor: Er sei unverändert „zögerlich“, eine Partei zu verbieten, zumal sich das dafür notwendige Gerichtsverfahren über Jahre hinziehen könne. Unterstützung fand Merz gestern bei FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle, der den Antrag für einen Fehler hält. Die NPD könne sich durch den Antrag zum „Märtyrer der rechten Szene aufschwingen“, befürchtet er.
Im rot-grün regierten Schleswig-Holstein wiederum macht die Landesregierung ihre Unterstützung offenbar davon abhängig, dass Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag sich über einen Antrag einig werden, auch wenn dies keine juristische Voraussetzung für einen Gang nach Karlsruhe ist. Der Bundesinnenminister hatte am Montag versucht, diese Einigung vorwegzunehmen, indem er gemeinsam mit seinen Länderkollegen aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern erklärte, die Erkenntnisse der Verfassungsschützer über die NPD reichten für ein Verbot aus.
Doch obwohl mit dem Bayern Günter Beckstein auch ein CSU-Minister am Tisch gesessen hatte, brachen gestern in der Union die Meinungsverschiedenheiten wieder offen auf. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Merz widersprach der oberste CSUler im Bundestag, Michael Glos, direkt seinem Fraktionschef und erklärte ein Verbot für sinnvoll. Für Schily erleichtert dies die Situation nicht unbedingt. Anders als sonst schadet die Uneinigkeit der Opposition der Regierung bei diesem Thema. Schließlich streben Schily wie Bundeskanzler Gerhard Schröder ein möglichst breites Bündnis für einen Verbotsantrag an, das auch Bundestag und Bundesrat umfassen soll. Zumindest in der Länderkammer aber ist ein Beschluss ohne die Union nicht zu haben. Umgekehrt müssen sich die Verbotsgegner, quer durch alle Lager, entscheiden, ob sie noch ernsthaft versuchen wollen, Schilys Vorhaben aufzuhalten.
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