Open Games in Moskau: Absagen und Behinderungen
Kurz vor Beginn der Open Games für homosexuelle Sportler sagen viele der Veranstaltungsorte und Hotels ab. Die Begründungen sind fadenscheinig.
BERLIN taz | Es war von vornherein ein gewagtes Unterfangen gewesen, und selbstverständlich hatten die Veranstalter der Open Games mit Problemen gerechnet. Was aber am Mittwoch in Moskau geschah, das waren weit mehr als nur Probleme. Es wirkt viel mehr wie eine konzertierte Aktion seitens der russischen Behörden gegen die LGBT-Sportveranstaltung.
Binnen Stunden vor der geplanten Eröffnungsfeier sagte plötzlich einer nach dem anderen der ohnehin schon aus Sicherheitsgründen geheimgehaltenen Veranstaltungsorte ab. Auch das Hilton Hotel, in dem eine Podiumsdiskussion hatte stattfinden sollen, zog sich zurück. „Sehr vage“ seien die Gründe gewesen, die ihnen genannt worden sind, erzählt Konstantin Jablotski, einer der Veranstalter. „ ’Nichts, worüber man am Telefon spricht‘, hieß es.“
Doch nicht nur die Sportveranstaltungen, auch ein großer Teil der aus dem Ausland angereisten Sportlerinnen und Sportler saßen von einem Augenblick auf den nächsten auf der Straße. Bereits bezahlte Zimmer in Hotels standen nicht mehr zur Verfügung. Unter den Leidtragenden befand sich auch eine Gruppe Sportlerinnen aus Berlin. Zwar konnte dank der Veranstalter kurzfristig Ersatz gefunden werden; dieser besteht jedoch aus einem Zimmer für zwölf Leute. „Teambildende Maßnahmen“, nennt Sonja Klümper das nicht ohne Galgenhumor.
Die Berlinerin ist eine der Organisatorinnen der Frauenfußballkampagne Discover Football, die ein Team nach Moskau entsandt hat, um dort am Turnier im Futsal, einer Art Hallenfußball, teilzunehmen. „Es ist schon ein unangenehmes Klima hier“, erzählt sie. „Ich habe schon das Gefühl, dass wir auffallen, wenn wir als Gruppe durch die Straßen gehen.“ Natürlich hatten auch sie mit Problemen gerechnet, aber nicht damit, dass es so krass werde, sagt sie.
Höchste Vorsicht angebracht
Neben den Berlinerinnen sind auch aus Frankreich, Kanada, den Niederlanden und den USA Sportlerinnen und Sportler angereist. Rund 200 der insgesamt etwa 240 Teilnehmenden kommen jedoch aus Russland selbst. Vor allem um diese zu schützen, ist höchste Vorsicht angebracht, denn im Gegensatz zu den anderen müssen sie auch nach Ende der Spiele in Russland bleiben, in einem Land, in dem es bekanntermaßen Gesetze gibt, die Propaganda für „nicht traditionelle sexuelle Beziehungen“ in der Öffentlichkeit verbietet, weil es seine Kinder davor schützen möchte, wie es heißt. Eine äußerst vage Formulierung, die zur Willkür förmlich einlädt.
Dabei sind die Open Games nicht nur nicht öffentlich, sie sind spätestens seit Mittwoch regelrecht konspirativ. Den Teilnehmenden wurde eingeschärft, Veranstaltungsorte weder am Telefon noch per SMS zu kommunizieren. Stattdessen gibt es Treffpunkte, von denen aus Sportler und Zuschauer an die entsprechenden Orte gebracht werden, an denen die Sportveranstaltungen stattfinden.
Wettbewerbe in Tischtennis und Badminton haben so schon stattfinden können, ein Eiskunstlauftraining wurde dagegen von der Polizei aufgelöst. Geplant wird eher von Stunde zu Stunde als von Tag zu Tag. Wann, wie, wo und ob das Futsal-Turnier am Samstag stattfinden wird, an dem die Berlinerinnen teilnehmen wollen, kann wohl niemand mit Sicherheit sagen.
Vielleicht der prominenteste Teilnehmer der Open Games ist der US-Amerikaner Greg Louganis, Olympiasieger 1984 und 1988 im Turmspringen. Am Tischtennisturnier wolle er teilnehmen, auch wenn er sich keine großen Hoffnungen auf ähnlich herausragende sportliche Erfolge wie damals in Los Angeles und Seoul macht.
Bombendrohung im Schwulenklub
„Ich will einfach an den Feierlichkeiten teilhaben“, sagte er am Mittwoch am Rande einer improvisierten Pressekonferenz vor dem Gebäude, in dem die Eröffnungsfeier hatte steigen sollen. Auch das stand plötzlich kurzerhand nicht mehr zur Verfügung, weil der Schwulenklub nördlich der Innenstadt eine anonyme Bombendrohung erhalten hatte. In letzter Minute hatte die Feierlichkeit dann aber doch noch stattfinden können.
Noch bis Sonntag sollen die Open Games gehen. Ein positives Signal an die Gesellschaft senden sollen sie, dass Homosexuelle ganz normale Menschen sind wie andere auch, sagt Jablotski. Bis jetzt wirkt es nicht so, als seien die russische Gesellschaft und vor allem auch die russischen Behörden bereit, dies zu hören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!