Onlinewahlkampf der FDP: Zu sexy für Facebook
Innovativ, klassisch oder peinlich? Wir analysieren, wie sich die Parteien während des Europawahlkampfs im Netz schlagen. Dieses Mal: die FDP.
Die Parteiseite
Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl gibt sich die FDP nicht geschlagen. Schließlich weiß sie, was Europa braucht: Alexander Graf Lambsdorff. Für die Europawahl hat die FDP extra eine Internetseite eingerichtet. Will man auf fdp.de landet man unweigerlich auf dieser.
Im Mittelpunkt der Seite steht eine Foto-Slideshow, die den adligen Europaabgeordneten in fünf verschiedenen Bildern zeigt. Seine Körperhaltung ist „zugewandt“, so hat es jedenfalls FDP-Generalsekretärin Nicola Beer bei der Vorstellung der FDP-Europakampagne erklärt. Diese Sitzposition spiegele ein besonderen „Näheverhältnis“ zum Betrachter wieder. Dann kann ja nichts mehr schief gehen.
Die gleichen Bilder hängen als Wahlplakate in ganz Deutschland. Die Werbesprüche verkünden, was Europa (laut FDP) außer adligem Blut noch braucht, zum Beispiel „Chancen statt Schulden“ und „Freies Netzt statt Schnüffelei“.
Der Rest der Seite ist schlicht und übersichtlich. Weißer Hintergrund mit kleinen blauen Kästen, die etwa zum Wahlprogramm und den Argumenten der FDP führen. Eine interaktive Karte zeigt die Kandidaten der Partei und verlinkt – falls vorhanden – auf ihre Internetseiten.
Social-Media-Präsenz
Wie alle anderen Parteien verlinkt die die FDP auf ihrer Website auf Facebook, Google Plus und Xing. Kapp 28.000 Menschen gefällt die Facebook-Seite der Partei. Zum Vergleich: SPD und CDU kommen auf 70.000 bis 80.000 Likes. Doch so ganz hat die Partei das Prinzip Social Media noch nicht verstanden. Denn sie interagiert kaum mit den Usern. Hauptsächlich werden Pressemitteilungen und Wahlplakate gepostet. Außerdem Zitate von FDP-Politikern. Auf Kommentare der Nutzer reagiert die Partei nicht.
Ein noch traurigeres Bild bietet der Twitter-Account der Partei. Relativ wenig Posts, häufige Retweets, kaum Interaktion. Ebenso sieh es bei Youtube aus. Über den Channel verbreitet die Partei Wahlwerbung, Pressekonferenzen und Parlaments- und Parteitagsreden. Dementsprechend hat die FPD lediglich 3000 Abonnenten.
Das Oberhaupt
Lambsdorff, mit dem Namen können die älteren Semester noch etwas anfangen. Allerdings denken sie dabei an den langjährigen FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff und nicht an den jetzigen Vorsitzenden der FDP-Gruppe im EU-Parlament. Der ehemalige Wirtschaftsminister und verurteilte Steuerhinterzieher war der Onkel des FDP-Spitzenkandidaten.
Der „junge“ Lambsdorff hat es noch nicht so ganz raus mit den neuen Medien. Zwar hat er auch einen Twitteraccount, aber dort gibt es bisher noch keinen einzigen Tweet von ihm, während SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz (und seine Mitarbeiter) gefühlt alle fünf Minuten etwas zwitschert. Dementsprechend hat Lambsdorff auch nur knapp 350 Follower, der Präsident des Europäischen Parlaments über hunderttausend.
Auch der Facebook-Account von Lambsdorff ist sehr offiziell gehalten. Der Account wird wohl nicht von dem Politiker selbst, sondern von seinem Pressebüro gepflegt. Etwas auflockerndes, humorvolles oder persönliches sucht man vergeblich. Das alles zeigt, dass Lambsdorff das Potenzial der neuen Medien noch nicht erkannt hat.
Die Kleinigkeiten
Wenn man die Internetseite der FDP betrachtet, bekommt man den Eindruck, dass die Liberalen in diesen Tagen dringend Unterstützung brauchen. Klickt man etwa auf die Argumente, kann man dort Karteikarten mit Argumentationshilfen downloaden. Recht prominent auf der Website ist auch die Aufforderung zur Unterstützung durch Spenden oder persönliches Engagemen.
Der Peinlichkeitsfaktor
Einen Fauxpas hat sich die FDP schon im Januar geleistet. Die jungen Liberalen posteten zum Auftakt des Wahlkampfs zur Europawahl ein Bild auf Facebook, das an ein berühmtes Foto der Kommune 1 angelehnt ist. Es zeigte die Rückansicht von sieben Jung-Liberalen. Die Hände an die Wand gelegt, die Beine leicht gespreizt. Darüber der Schriftzug: „Wer hätte gedacht, dass wir mal die Ideale der 68er verteidigen müssen?“ Die JuLis erklärten sich damit zur Außerparlamentarischen Opposition. Apo 2.0.
Eigentlich sollte das Bild auf allen sozialen Netzwerken verbreitet werden. Aber schon nach wenigen Stunden war Schluss mit dem Zwergenaufstand. Facebook löschte das Bild wegen Anstößigkeit.
Der damalige Juli-Chef Alexander Hahn, äußerte sich entrüstet: „Wir fragen Facebook: Warum wurde unser Bild gelöscht? Ist die JuLi-APO etwa zu sexy für Facebook?“ Aber daran kann es kaum gelegen haben.
Gesamteindruck
Der Internetauftritt der FDP ist professionell gestaltet und die FDP ist auf allen Kanälen vertreten. Allerdings haben sie nicht verstanden, dass Facebook und Twitter kein zweiter Mitteilungskanal für Pressemitteilungen sind. Vor allem der Spitzenkandidat Lambsdorff kann mit diesen Medien nichts anfangen. Dabei kann man auf diesen Wegen ein Publikum erreichen, das ansonsten weniger politikinteressiert ist. Immerhin setzt die FDP bei der Europawahl im Gegensatz zu den anderen Parteien auf einen Namen, den man kennt. Wenn auch nicht durch den eigentlichen Kandidaten.
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