Online-Shopping mit der Öko-Ampel: Massenmarkt oder reine Lehre?
Ein Add-on zeigt beim Einkauf direkt an, wie „bio“ und „fair“ die gewählten Produkte sind. Doch es regt sich auch Kritik an der Bewertung.
„Wir wollen nachhaltigen Konsum massentauglich machen“, sagt Maurice Stanszus, Gründer und Geschäftsführer von Wegreen. Das Start-up ist bisher vor allem für seine Produkt-Suchmaschine bekannt, die zu den Ergebnissen immer auch eine Einschätzung zur Nachhaltigkeit liefert. Dabei fließen Informationen wie die verschiedenen Siegel, Produktbewertungen etwa der Stiftung Warentest oder Herstellerbewertungen zum Beispiel von Nichtregierungsorganisationen ein.
Mit der neuen Erfindung, dem Add-on, ist eine Bewertung nun direkt beim Einkaufen auf vier Vergleichsportalen wie Idealo und 14 Online-Shops möglich, darunter auch Amazon und Otto. Rund 800 Personen verwenden das Add-on bislang. Nach Angaben von Wegreen können mehr als 100 Millionen Produkte bewertet werden.
Damit sich die Anzahl dieser Produkte ständig erhöht, hat Stanszus in Kooperation mit mehreren Universitäten einen komplexen Algorithmus entwickelt, der jede Produktanfrage automatisch mit einer Datenbank abgleicht, die zuvor mit den Bewertungen mehrerer Quellen gefüttert wurde.
taz.ökobiz beschäftigt sich gezielt mit Geschichten aus der nachhaltigen Wirtschaft – mit Analysen, Reportagen, Hintergründen. Regelmäßig auf taz.de und gebündelt auf einer Seite montags in der taz.die tageszeitung. Am Kiosk oder am eKiosk.
Wenn genügend Informationen vorhanden sind, wird so innerhalb weniger Sekunden eine neue Nachhaltigkeitsampel geliefert, die immer auch die Güte der Quellen berücksichtigt. Der Algorithmus selbst bleibt geheim, nur ein Beirat überwacht die Qualität des Systems. In diesem Gremium sitzen laut dem Unternehmen unter anderem die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg und der Ex-Telekom-Vorstand Bernd Kolb.
Für den Nutzer ist das Add-on kostenlos
Für den Nutzer ist das Add-on kostenlos, Wegreen verdient das Geld auf andere Weise: Bei jedem User gilt Wegreen als eine Art Vertriebspartner der Produktanbieter und erhält eine Vermittlungsprovision pro getätigtem Kauf – im Durchschnitt acht Prozent, wie Maurice Stanszus berichtet.
Doch für seine Kooperation mit den Größen des Online-Shoppings gibt es auch Kritik. Katharina Knoll, Expertin für nachhaltigen Konsum beim Verbraucherzentrale Bundesverband, findet das Angebot des Start-ups zwar „prinzipiell gut und praktisch“. Einen Haken sieht sie aber doch: „Dass Wegreen sein Add-On auch bei Unternehmen wie Amazon ermöglicht und darüber Provision bezieht, ist letztendlich nicht stringent.“
Knoll verweist dabei auf die Vorwürfe, die zum Beispiel gegen Amazon erhoben werden, wenn es etwa um faire Arbeitsbedingungen geht. Die Verbraucherschützerin findet, dass das Wegreen-Bewertungssystem „den gesamten Lebenszyklus eines Produkts“ mit einbeziehen sollte – und der „somit ebenfalls 1:1 auch für Amazon, Zalando und Co“. gelten müsse.
Wegreen-Chef Stanszus sieht dagegen die Massenwirkung: „Es gibt eben nicht nur Hardcore-Grün, sondern auch Seichtgrün. Und es ist einfach eine Tatsache, dass die großen Player die größten Umsätze machen – auch mit grünen Produkten.“ Vom Volumen her sei die Wirkungskraft daher trotz der berechtigten Kritik größer, als würde man auf Wegreen verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen