Online-Netzwerk Diaspora: Ein erster Blick aufs Anti-Facebook
Das sicherheitsbetonte soziale Netzwerk Diaspora lässt sich nun in einer Testversion ausprobieren. Dabei werden erste Stärken und Schwächen gut sichtbar.
Diaspora ist da - wenn auch noch nicht für jeden. Über 200.000 Dollar haben einige New Yorker Studenten von Internetnutzern zum Start des neuen, auf Sicherheit und Schutz der Privatsphäre ausgelegten Online-Netzwerks eingeworben, nun kann man erste Ergebnisse sehen. Seit Ende letzter Woche lässt sich Diaspora erstmals testen. Dazu wurden an mehrere Tausend Nutzer Einladungen verschickt, die die sogenannte Alphaversion ausgiebig prüfen können.
Noch ist Diaspora rudimentär. Die Grundstrukturen sind darauf angelegt, die Privatsphäre des Nutzers zu schützen und unnötigen Exhibitionismus zu vermeiden. Diaspora teilt alles nach sogenannten Aspects ein - auf Deutsch Aspekte genannt, also Ansichten. Vorgegeben sind die Aspekte "Familie" und "Arbeit", der Nutzer kann beliebig viele eigene Aspekte hinzufügen - einen Freundeskreis, eine Fußballrunde, Teilnehmer eines Uni-Seminars. Ziel ist stets, Daten mit genau der Zielgruppe zu teilen, die man erreichen will und mit niemandem sonst.
Einträge oder Fotos landen vorerst nur in dem Aspekt, in dem sie eingestellt ("geteilt") wurden. Erst wenn man auf "Alle" klickt, werden sie über die gewünschte Gruppe hinaus angezeigt. Einträge können Fotos enthalten und kommentiert werden. Diaspora ist darauf ausgerichtet, zunächst nichts mit der Außenwelt zu teilen. Nur wer explizit eine Checkbox aktiviert, wird seine Diaspora-Äußerungen auch im Internet finden. Verknüpfungen mit einem RSS-Nachrichtenfeed, zu Facebook oder Twitter sind ebenfalls möglich.
Fehlerfrei arbeitet Diaspora noch nicht. So mancher Beitrag landet in einem speziellen Aspekt, obwohl obwohl er an "alle" adressiert war. Hinzu kommen Probleme mit der Gestaltung. Diaspora steht in mehreren Sprachen zur Verfügung, darunter auch Deutsch, doch brechen in dieser Sprache manchmal Felder falsch um oder zeigen den Text nur in Teilen an.
Das größte Problem bisher ist, dass man mit Diaspora noch nicht viel anfangen kann. Es fehlen Standardfunktion wie Direktnachrichten, Chats oder Videos, die allesamt nach und nach integriert werden sollen. Von Vorteil ist, dass Nutzer schon jetzt all ihre Daten problemlos exportieren können - bei Facebook ist das noch immer nicht in vollem Umfang möglich. Zudem lässt sich Diaspora dezentral betreiben. Wer will, kann das Netzwerk auf einem eigenen Server installieren. Einfach funktioniert auch die Einteilung von Freunden: Ein Profilbild wird in den passenden Aspekt gezogen, das war's.
Die Entwickler von Diaspora haben stets die Sicherheit ihres Netzwerks betont, entsprechend hoch waren vorab die Erwartungen. Enttäuscht werden sie nicht. Der gesamte Datenverkehr zwischen den Nutzern und Diaspora wird mittels SSL verschlüsselt, einer in jedem Browser standardmäßig eingebauten Sicherheitstechnik. Das unterscheidet den Dienst deutlich von Facebook, wo nur bestimmte Einstellungen geschützt sind, der größte Teil der Kommunikation unter Nutzern aber im Klartext durch das Netz rauscht.
Welche Folgen das haben kann, zeigte kürzlich das kostenlose Firefox-Zusatzprogramm Firesheep, mit dem sich in ungeschützten WLANs innerhalb von Sekunden Zugangsdaten entführen ließen. Zwar haben einige Anbieter auf diese Lücke reagiert, einige der publikumsreichen Seiten (inklusive Facebook) bleiben aber ungeschützt.
Auch Diaspora macht noch nicht alles richtig, wenn es um Sicherheit geht. Code-Analysen der ersten Entwicklerversion zeigten diverse Sicherheitslücken auf. Das ist nicht ungewöhnlich für eine Alpha-Version, also Software in einem frühen Entwicklungsstadium. Schließlich wollen die Entwickler je gerade Erfahrungen sammeln, um Probleme zu erkennen und schnell zu lösen.
Nach dem Log-In ab Mitte letzter Woche wurden weitere Neuanmeldungen am Freitag zunächst gestoppt. Als Begründung gab das Diaspora-Team an, aus den gesammelten Daten der ersten Tage "sinnvolle Ergebnisse" abzuleiten - dadürfte harte Programmierarbeit gemeint sein. Bereits versandte Einladungen bleiben gültig. Das Interesse, so zeigt sich, ist jedenfalls groß - Diaspora-"Invites" sind gefragt.
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