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On the road again

■ Jonny Depp als Jack Kerouac und Dennis Hopper als William S. Burroughs: „The Source“, Chuck Workmans Film über die Beatniks

Die Geschichte der Beat Generation ist hochgradig akademisiert. Eine staunende Studentenklasse wird an die historische Stätte geführt, an der sich Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs 1944 erstmals trafen.

Schlimmes Schicksal für eine Gegenkultur, die dem Establishment mit einem dem Ereignishaften und schnell Vergänglichen verpflichteten Hedonismus den Boden unter den Füßen wegziehen wollte. Junge amerikanische Literaten, Künstler und Hipster aller Art vergnügten sich mit Lyrik- Events, Drogenexperimenten und endlosen Debatten. Doch um in kleinen Fluchten zu verschwinden, war der Einfluß auf Literatur, Sprache und Lebensstil der westlichen Welt schlicht zu groß. Jede neue Materialsammlung ist da ein weiterer Schritt zur Kanonisierung.

In Chuck Workmans Film „The Source“, eine Collage aus alten und neuen Interviews, Performances und Spielszenen, kommen vor allem die reichlich bekannten Vertreter aus der Literatur zu Wort. Daß deren geballte Wortmacht den Zuschauer nicht erschlägt, liegt daran, daß nicht jeder der alten Herren gleich viel zu sagen hat. Schnell ist zu erkennen, wer den Beat noch hat und wer nicht. Ken Kesey und Lawrence Ferlinghetti haben ihn nicht, Johnny Depp, der den früh verstorbenen Jack Kerouac vertreten muß, auch nicht. Timothy Leary hat genug geschluckt, um gar nicht mehr anders zu können als ihn zu haben.

Die Glanzlichter aber setzen doch wieder die großen drei: Kerouac, Ginsberg und vor allem Burroughs. Sie sind es auch, denen Workman mit dramatisierten Rezitationen zu zusätzlicher Präsenz verhilft. Dabei fehlt Jonny Depp schlicht die Coolness, die der Vortrag von „On the Road“ erfordert.

Dennis Hopper hingegen, Zeitzeuge und Irrer vom Dienst, schafft es mit der lauten Unterstützung von Sonic Youth, Burroughs wenigstens nahezukommen, hat allerdings auch die schwerste Aufgabe zu bewältigen. Denn er muß gegen den Meister selbst antreten, der die schlaffe Intensität seines Vortrags und den stahlharten Blick bis ins hohe Alter behalten hat. Da kommt man nicht erst bei der Vorführung seines stattlichen Waffenarsenals ins Frösteln. Eine wahre Bereicherung allerdings ist John „Jesus“ Turturro als Ginsberg. Was der sanfte Buddha nie mehr geschafft hätte, nämlich seinen Mega-Beat-Klassiker „Howl“ mit genügendem Weltekel vorzutragen, erledigt Turturro glänzend auf einem desparaten Streifzug durchs nächtliche New York. Da spricht der Beat und schweigt die Akademie.

Solche lebendigen Präsentationsformen sind es unter anderem, die diesen einführenden Rundumschlag sehenswert machen, denn trotz neuer Interviews hat der Film wenig Neues zu bieten. Erfreuen sollte sich allerdings jeder an einigen Perlen amerikanischen Fernsehmülls, die den stereotypen Beatnik als nuschelnden Wichtigtuer mit Spitzbart und Barrett vorführen wollen. In eben dieser Aufmachung begrüßt uns ausgerechnet Alfred Hitchcock als „Mitglied der Beat Generation“. Und eine ultracoole, potrauchende Star-Trek-Crew rauscht durch das All: „Yeah, Erlaubnis, na ja, ähm, erteilt!“ Geht in Ordnung. Philipp Bühler

Panorama: Heute, Atelier am Zoo, 18 Uhr, 19. 2., Filmpalast, 11 Uhr, 20. 2., 23.30 Uhr

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