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Omas gegen Rechts„Der Mut wächst mit dem Einsatz“

Christiane Lähnemann und Jutta Shaikh sind bei den Omas gegen Rechts. Von jungen Menschen hat Lähnemann gelernt, wie wichtig Spaß für den Aktivismus ist.

Jutta Shaikh (links) und Christiane Löhnemann (rechts): Unterschriften sammeln, Feste feiern, Crowdfunding, Begegnungsabende Foto: Ben Kilb

Sollte die AfD bei der nächsten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2026 stärkste Kraft werden – man würde Christiane Lähnemann anrufen und sie fragen, was nun zu tun sei. Schneidet die AfD schlechter ab als 2021, dann liegt es ziemlich sicher auch an ihr. In ihrer bescheidenen Art dürfte sie mit solchen Zuschreibungen allerdings eher fremdeln.

Christiane Lähnemann verwendet eine andere Sprache. Wenn sie von ihrem Engagement bei den Omas gegen Rechts Magdeburg spricht, klingt sie bodenständig. Ihre Sätze sind klar, sorgsam strukturiert, aber nicht abgeklärt: „Der Mut wächst mit dem Einsatz, mit der Empörung und der Gemeinschaft“, antwortet sie beim taz-Event in Frankfurt am Main auf die Frage, wie sie angesichts rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt nicht den Mut verliere. Und diese Zuversicht strahlt sie auch auf ihr Publikum aus.

Kennengelernt hat sie die Omas gegen Rechts 2019 bei einer Fridays-for-Future-Demo in Berlin. Sofort war ihr klar: „So was müssen wir in Magdeburg auch machen.“ Gemeinsam mit acht älteren Menschen gründet sie die „Oldies for Future“. Oldies, weil ein Opa nicht öffentlich „Opa“ heißen wollte. Vor dem AfD-Bundesparteitag 2023 nimmt sie Kontakt zur Bundesorganisation auf und merkt, „was für tolle Frauen das sind“. 100 Omas kommen am Freitag, 400 zur Demo am Samstag. Danach war klar: „Wir müssen jetzt auch wirklich Omas gegen Rechts heißen.“

Politische Haltung zeigte Lähnemann schon früh. 1957 in Niedersachsen geboren und aufgewachsen, lebt die Mutter zweier erwachsener Kinder seit 30 Jahren in Magdeburg. 1975 bis 1981 studierte sie Theologie, Politik und Englisch an der Freien Universität Berlin. Sie besetzt Bohrplätze in der Anti-AKW-Bewegung, protestiert gegen die Pershing-Raketen und koordiniert später als evangelische Religionslehrerin Austauschprogramme zwischen polnischen, israelischen und deutschen Familien. Gemeinsam fuhren sie nach Auschwitz oder ins Holocaust-Gedenkmuseum Yad Vashem, „um dem Ziel gerecht zu werden, das wir bis heute haben: ‚Nie wieder‘.“

Mit diesem Bewusstsein macht sie Aktionen mit den Omas: Unterschriften sammeln, Feste feiern, Crowdfunding, Begegnungsabende für Menschen mit und ohne Migrationsbiografie. „Jeder bringt sich so viel ein, wie er kann.“ Von jungen Menschen habe sie gelernt, was Awareness-Konzepte seien und wie wichtig Spaß und positive Visionen für den Aktivismus sind. Ob sie manchmal zweifle, die richtigen Mittel zu wählen? „Diese Frage stellen wir uns ständig. Ständig.“

Ihre Sorge um den Osten klingt in fast jedem Satz mit. Kein Wunder, dass sie die Ost-West-Partnerschaften der Omas gegen Rechts koordiniert. Die Idee dazu konkretisierte sich 2024 beim ersten Bundeskongress. Zunächst hatten manche Ost-Omas Vorbehalte, die West-Omas könnten ihnen etwas vorschreiben – wie zur Wendezeit. Insbesondere befürchteten das die Omas in Döbeln, die nun aber „Vorreiter“ der Ost-West-Partnerschaften seien. Auch bundesweit tauschen sich Ost und West nun per Signalgruppe aus.

Christiane Lähnemann zeigt: Ob Ost oder West, alt oder jung, Omas oder Opas, die Vision eint.

„Auch Opas können mitmachen“

„Wie eine Löwenmutter kämpfe ich dagegen, dass meine Kinder diskriminiert werden – für meine Kinder und deren Kinder“, schmettert Jutta Shaikh in ihr Mikrofon. Das Publikum applaudiert frenetisch. Ein guter Moment für einen Micdrop, würde man sagen. Doch Jutta Shaikh hält ihr Mikrofon über die vollen 90 Minuten stets direkt vor den Mund – ob sie spricht oder nicht. Sie sitzt auf der Bühne der taz-Veranstaltung in Frankfurt am Main zu den Omas gegen Rechts, gemeinsam mit ihrer Mit-Oma Christiane Lähnemann. „Richtig politisch aktiv geworden bin ich erst im Ruhestand“, erzählt sie. Nachdem sie 2015 nach zwölf Jahren aus den USA zurückgekommen war, war sie erschrocken über die wachsende Diskriminierung in Deutschland.

Das vor Augen, stieg sie 2018 bei den Omas gegen Rechts in Frankfurt ein, deren Sprecherin sie heute ist: „Nach drei Monaten war ich voll drin. Ein zweites Berufsleben, kann man fast sagen. Mehr als acht Stunden täglich. Aber das erwarten wir nicht von allen. Jeder bringt sich ein, so viel er kann und mag.“ Früher, als alleinerziehende Mutter mit Studium und Beruf, fehlte ihr die Zeit für Aktivismus – obwohl sie stets gegen Rassismus und Diskriminierung eingetanden sei. Auch persönlich: Ihre Familie ist Heimat von 17 Nationalitäten.

Die Frankfurter Ortsgruppe gehört zu den ältesten. Sie gründete sich kurz nach der Facebook-Initiative der Österreicherin Monika Salzer im November 2017. Heute ist die Organisation basisdemokratisch, mit eigenständig agierenden Ortsgruppen. Jutta Shaikh sagt: „Oma sein ist eine Haltung. Kein Alter, kein Geschlecht. Auch Opas oder Menschen ohne Enkel können mitmachen. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder und Enkel den Scherbenhaufen auffegen müssen, den wir nach dem Nationalsozialismus erlebt haben.“ Etwa 40.000 Mitglieder zählt die Bewegung laut eigenen Angaben heute.

Eine Erfolgsgeschichte mit Folgen: „Aufgrund unseres großen Bekanntheitsgrad muss die Außenwirkung heute stärker beachtet werden als noch vor drei Jahren.“ Ein Beispiel ist die Kleine Anfrage der CDU/CSU vom 24. Februar, in der die Neutralität staatlich geförderter Organisatio­nen – darunter auch der Omas – infrage gestellt wurde: Daraufhin seien „1000 Hassmails pro Tag“ gegen die Omas eingegangen – aber auch Positives war zu verzeichnen: „Beitrittserklärungen kamen im Sekundentakt.“ Shaikh nennt die Anfrage „einen klaren Einschüchterungsversuch“ seitens der CDU/CSU gegen die überparteiliche Organisation. Die Omas arbeiten ehrenamtlich, gefördert werden nur einzelne Projekte, nicht der Verein. Kooperationen wurden schwieriger, der Ruf hat gelitten. Immer wieder betont sie gegenüber der taz und auf der Bühne die Überparteilichkeit. „Wir sind nicht der Feind der CDU. Die AfD ist der Feind. Wir fühlen uns dem Schutz der Demokratie verpflichtet.“

Diese Pflicht spüre sie besonders gegenüber jungen Menschen, von denen sich einige von der AfD angezogen fühlen. Ob die an rechte Parteien verloren seien? „Ich glaube, das ist noch nicht verfestigt – außer bei denen, die schon in ganz rechten Organisationen aktiv sind. Da weiß ich nicht, wie man die zurückholt.“ Sie betont aber auch, dass viele nicht rechts wählen, und lädt sie ein, die Omas bei Social Media zu unterstützen.

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3 Kommentare

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  • Bewundernswert was die Omas gegen Rechts auf die Beine stellen und das Engagement der beiden. Das gibt Hoffnung. Sie haben meine volle Unterstützung.

  • „Wir sind nicht der Feind der CDU. Die AfD ist der Feind. Wir fühlen uns dem Schutz der Demokratie verpflichtet.“

    Und wenn die cdU die Politik der AfD macht? Ist sie dann immer noch nicht der Feind? Was ist mit "währet den Anfängen"?

    Die cdU hat de facto und inzwischen eigentlich auch schon de jure das Menschenrecht auf Asyl aus dem Grundgesetz gestrichen (mit freundlicher Unterstützung der sPD natürlich). Sie haben umgesetzt, was die AfD fordert.

    Immer wieder höre ich diese Verniedlichungen zur cdU. Man redet sich ein, dass eine so große alte Partei ja nicht das Problem sein kann. Und darum kneift man ganz fest die Augen zu vor der Politik der cdU. Und das jetzt ist nicht mehr die Merkel-cdU, sondern die Merz- und Spahn-cdU.

    Natürlich ist die cdU nicht die AfD. Natürlich gibt es auch programmatisch Unterschiede. Aber wie groß sind die? Und in welchen Punkten? Das sollte man sich immer klar machen.

    Wenn ich bei den Demos "gegen Rechts" auf die Straße gegangen bin, dann habe ich immer rechtes Gedankengut gemeint und nicht nur eine bestimmte Partei. Das beeinhaltet gewiss die Vorhaben der cdU, aber auch die Asyl-Politik der sPD. Und selbstverständlich die Politik der AfD.

    • @Jalella:

      Richtig erkannt. Man kann sich auch zurecht fragen, ob Deutschland je links oder progressiv war. Die Bundesrepublik war und ist leider bis auf die Ära Brandt und Schmidt immer Strukturkonservativ gewesen. Und wäre zumindest ersterer nicht gewesen, hätte es viele liberale Reformen was Frauenrechte und Gleichstellung angeht auch nie gegeben (Adenauer hat sich da nie rangewagt). Deutschland war vor der Ära Merkel was Rechtsradikalismus in den 90ern und 2000ern angeht stark vertreten, die Politik Roland Kochs und Friedrich Merz ähnelte sehr stark rechtskonservativer Politik bei Einbürgerung und Gesetz zur Gewalt in der Ehe usw. Man fragt sich dann manchmal echt wie liberal und progressiv ist Deutschland wirklich? Und das würde man vor allem gerne denjeniegen sagen die sich als konservativ bezeichnen und die CDU auch für moderat konservativ halten. Ironie ist auch, dass wahrscheinlich ohne ein Umschwenken der FPD 1969 nie eine Mehrheit für eine wirklich liberale Politik von Brandt zustandegekommen wäre. Denn abgesehen davon wählt Deutschland strukturkonservativ die Schwarzen.