Olympische Spiele: Die neue Bescheidenheit
Berlin und Hamburg wollen beide gleichermaßen kuschelig und nachhaltig olympionieren. Doch so was kam beim IOC bislang nicht sonderlich gut an.
Vielleicht sollten sie es ja doch gemeinsam versuchen, Berlin und Hamburg. Ist man sich doch in so vielen Punkten einig, was für Spiele das denn werden sollen, im Jahr 2024 oder 2028. Die Vision der beiden möglichen deutschen Bewerberstädte lautet: Olympia, so nachhaltig wie nie, so bürgerbeteiligt, öko- und sozialverträglich wie nie. Bei den offiziellen Vorstellungen der von den Städten beantworteten Fragenkataloge des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) vernahm man am Montag an Spree wie Elbe ein Bild von Olympia, das auf Bescheidenheit aus ist und größtenteils auf vorhandene kommunale Strukturen setzt.
„Wir werden auf eine Weise nachhaltig und kompakt sein, wie man das in der olympischen Geschichte noch nicht kennengelernt hat“, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Innen- und Sportsenator Frank Henkel klang das in Berlin ganz ähnlich. Scholz stellt sich irgendwie smarte Spiele vor, auch bei den Berlinern war von „Smart Games“ die Rede. In Berlin werde man den Entscheidern des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im Fall der Fälle „ganz deutlich machen, wie wir uns die Spiele vorstellen“. Und natürlich wird alles viel billiger, als man es bislang von Olympia kennt.
Nur: Wer ist sich eigentlich so sicher, dass das IOC innerhalb von zehn bis 14 Jahren eine 180-Grad-Wende hinlegt? Und wer will eigentlich dieses kuschelige grüne Olympia mit kurzen Wegen, Sportlern und Sportlerinnen in der Nachbarschaft, ollen, leicht aufgemotzten Sportstätten? Nur ein paar fortschrittliche Länder oder doch alle 205 Mitgliedstaaten des IOC?
Charme ist dem IOC schnurz
Es gibt tatsächlich Experten und Kenner des IOC, die sagen, der Weltsportverband gerate langsam unter großen Reformdruck, da ihm die demokratischen Bewerberstaaten ausgingen. Allerdings sollte man auch berücksichtigen, dass jetzt erst mal mit Rio 2016, Pyeongchang/Südkorea 2018 und Tokio 2020 Olympische Spiele folgen, bei denen sich das IOC zumindest nicht den Vorwurf anhören muss, die Spiele in Quasi-Schurkenstaaten vergeben zu haben. Und dann sollen für die Sommerspiele 2024 ja auch Städte wie Washington, Istanbul oder Durban/Südafrika interessiert sein – die Entscheidung darüber fällt 2017.
Das IOC zieht aus den Sommerspielen alle vier Jahre einen Großteil seiner Einnahmen, die Schulden aber lässt man die Ausrichterstädte machen – so weit, so bekannt. Man darf zumindest davon ausgehen, dass man einen solchen Verband nicht mal eben im Vorbeigehen mit temporären Sportstätten, Konzepten fahrradfreundlicher Stadt- und Dorffestatmosphäre ködern kann, wenn gleichzeitig eine andere Bewerberstadt mit dem tollsten neu gebauten Olympiapark der Geschichte daherkommen sollte. Hamburg und Berlin würden auf Charme setzen – aber Charme war dem IOC zuletzt reichlich schnurz.
In der vergleichbaren Frage um die Ausrichtung der WM 2018 sind Belgien und die Niederlande bei der Fifa – einer charakterlichen Zwillingsschwester des IOC – krachend mit einer nachhaltigen Bewerbung gescheitert.
Die bislang genannten Kosten der Städte klingen wie ein schlechter Scherz: Hamburg kalkuliert mit 2,17 Milliarden Euro allein für die Sportstätten, Berlin mit 2,4 Milliarden insgesamt. In London waren es 2012 insgesamt offiziell 10,19 Milliarden Euro, inoffiziell ein bis zwei Milliarden mehr. Und auch Elbphilharmonie und BER sollen ja mal günstiger kalkuliert worden sein. Für ihr nachhaltiges Olympionieren bräuchten Berlin und Hamburg ein neues IOC, dessen Antlitz bislang allerdings nicht in Ansätzen erkennbar ist.
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