piwik no script img

Olympische Sommerspiele 2024Neue linke Stadtutopien gesucht

Hamburg wird als Kandidat für die Olympischen Spiele ins Rennen gehen. Proteste sind absehbar. Sollte die Opposition nicht lieber dafür sein?

Sieht so eine Utopie aus? Hamburgs Modell für Olympia Bild: dpa

Die Gründe für das Ja der deutschen Sportverbände, sich um Olympische Spiele zu bewerben, mögen eitle sein: einmal auch Gastgeber sein, in der Sonne globaler Aufmerksamkeit zu stehen.

Ein Grund allerdings hat sich in die Debatte geschoben, der vor allem viel mit Demokratie und Partizipation zu schaffen hat. Olympische Spiele, einerlei ob jene für den Winter oder die für den Sommer, drohen dauerhaft zu Inszenierungen totalitärer Staaten (und ihrer Führer) zu werden. Sotschi oder Peking – was die Bevölkerungen zu sagen hatten, spielte keine Rolle.

Dass Städte aus rechtsstaatlich-demokratischen Ländern in jüngster Zeit keine Lust hatten, sich dem Wettbewerb um ein Spektakel zu stellen, hat in erster Linie damit zu tun: Die explodierenden Kosten von Olympischen Spielen – und die mangelnde, um nicht zu sagen fehlende Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft.

München als Hauptort der Winterspiele 2022 schied nach Volksabstimmungen aus, weil die Bevölkerungen des alpennahen Bayerns sich übergangen fühlte, enteignet für den Glanz weniger Funktionäre. Und: Man sah den nacholympischen Mehrwert nicht ein. Was soll aus den Stadien werden? Und wer hat was davon?

Kein megalomanisches Projekt

In diese Kritik spielt natürlich eine Menge Provinzialität mit hinein: Unser Dorf soll so bleiben, wie es immer war. Dass Hamburg jetzt vor Berlin den Zuschlag in Deutschland für eine Kandidatur um Olympische Sommerspiele erhielt, wird auch dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass die genannten kritischen Punkte nicht gelten müssen. Hamburg würde als Stadt tatsächlich das olympische Ding nicht als megalomanisches Projekt an allen Ansprüchen vorbei ins Werk setzen.

Berlin konnte auch deshalb mit seinem Hauptstadt- und also Coolnessbonus nicht stärker punkten, weil Hamburg nun international auch nicht gerade eine No-Name-Stadt ist: Reeperbahn, St. Pauli, Hafenstraße, der Hafen und seine globalen Verbindungen überhaupt – ökonomisch ist die mittlere Metropole an der Stadt ohnehin solvent genug, kulturell aber von einem Zuschnitt, der sich auch dem IOC erschließen kann. Ausländische Gäste in Hamburg muss man nicht lange herbitten, die kommen sowieso seit 100 Jahren rudelweise.

Insofern kann Hamburg – wie auch die mutmaßlichen Konkurrenten aus demokratischen Ländern, Rom und Paris – damit angeben, keine metropolen Verwüstungen anrichten zu müssen, um 20.000 SportlerInnen, JournalistInnen, ZuschauerInnen und FunktionärInnen zu beherbergen. Im Gegenteil soll der Fokus der Olympischen Sommerspiele in einem Teil des Hafens liegen, der einerseits fünf Minuten von der Innenstadt entfernt liegt, andererseits den Missing Link zu den abgehängten Vierteln Veddel und Wilhelmsburg verkörpern soll.

Hamburg hat, wie London zu seiner erfolgreichen Bewerbung für die Sommerspiele 2012, genug bislang nur ökonomisch (durch den Hafen) genutzte Fläche, um ein olympisches Paradies zu werden.

Die Elbe als Zentrum der Stadt

Olympische Spiele – die sind freilich immer auch eine Chiffre für Gentrifizierung, und wie diese funktioniert, darf am Beispiel der Münchner Spiele 1972 studiert werden. Die wurden übrigens von den meisten Linken damals unterstützt, denn München sollte endlich mehr als Führers Hauptstadt und Erinnerung an die Schwabinger Bohème sein. Die bayerische Landeshauptstadt hat aus diesem Event einen Imagegewinn gezogen, der bis heute nachwirkt. München, eigentlich eine mäßig bevölkerte Stadt mit starken Kiezanteilen, zieht sein kulturelles Kapital nach wie vor aus Stadtmöbeln wie dem Olympiastadion.

Insofern muss zu Hamburg gesagt werden: Die Aufwertung von Hafenquartieren zu sexy Locations mit Anbindung an die letzten proletarischen Viertel der Stadt, eben die klassischen Stadtteile wie Wilhelmsburg oder die Veddel, aber auch ins immer noch zweitweltkriegsvernarbte Rothenburgsort und Hammerbrook, wird Geld kosten – und dort vieles teurer machen.

Es läge an der Linken in Hamburg (von denen in der Linkspartei über die Grünen bis zur SPD), aus dieser Bewerbung eine sozialökologische Bewegung zu machen, die aus den Olympischen Sommerspielen eine Utopie der besseren Stadt macht. Wo es Nachnutzungen der Sportstätten gibt, wo das Olympische Dorf zu Studentenwohnungen wird oder die Parks rund um das Stadion zu den Flaniermeilen der Stadt werden. Die Elbe als Zentrum der Stadt, nicht mehr die Alster, ein für die bürgerlichen Quartiere der Stadt wichtiger Stausee, der nur als niedlich und unmetropol beschrieben werden kann.

Die Chance auf 2028

2024 wird Hamburg ohnehin nicht den Zuschlag erhalten können; die Fußball-EM 2024 wird höchstwahrscheinlich in Deutschland ausgetragen. Zwei Monsterereignisse in Deutschland – nein, das fände die internationale Sportcommunity nicht akzeptabel. Aber 2028 könnte es gelingen. Darüber wird erst 2021 entschieden. Es sind bis dahin gut sechs Jahre, während der die sonst auf Nein getrimmte Opposition in Hamburg sich überlegen könnte, wie sie selbst eine urbane Utopie sich vorstellt, die nicht dörflich ist und international Gastfreundschaft signalisiert.

In diesen Kategorien haben Linke in den zwanziger Jahren debattiert: Wie holt man die Welt zu sich, um die eigene Provinzialität ein wenig hinter sich zu lassen. Das wäre eine echte Konkurrenz zu Olympischen Spiele von Potentanten und Diktatoren. Weil Oslo und München sich für 2022 zurückzogen, konkurrieren um die Winterspiele nur noch Almaty (Kasachstan) und Peking (China). Was für eine gruselige Konstellation!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Auf jeden Fall auch kein Olympia in Berlin. Investorengewalt gibt es schon zu viel.

    Einzig die Bauindustrie profitiert davon.

     

    Breitensport ist schon eher kompatibel mit einem linken Ansatz.

    Der Leistungssport ist ausgereizt, und es ist bekannt, dass nur noch Doping weiterhilft. Bis zum Herzinfarkt.

     

    Es gibt doch die Handball-WM der Frauen - warum beachtet das denn niemand?

    Sollen die Herrschaften doch da sich die Hände auf der Tribüne schütteln.

  • Olympia ist überall und immer ein mega Bauprojekt und sollte auf keinen Fall mehr irgendwo stattfinden.

    Schauen Sie sich die Massenvertreibungen an, die dafür in Peking durchgeführt wurden.

    Schauen wir uns die Proteste an, die in Sao Paulo monatelang anhielten.

     

    Hamburg hat mit Berlin den höchsten Anstieg bei Neuvermietungen bundesweit: 37% innerhalb der letzten 10 Jahre. Das ist der stadtweite Durchschnitt.

     

    Neue linke Stadtutopien werden gesucht, allerdings nicht von Herrn Feddersen, der seine Beiträge besser bei Cicero unterbringen sollte.

  • Für diesen Olympia-Scheiß in Hamburg spricht eigentlich nichts, aber gegen Olympia in Berlin sprach ganz offensichtlich ein Flughafen, für den es auch in sechs Jahren noch keinen realistischen Eröffnungstermin geben wird.

  • "In diesen Kategorien haben Linke in den zwanziger Jahren debattiert: Wie holt man die Welt zu sich, um die eigene Provinzialität ein wenig hinter sich zu lassen."

     

    Stellt sich diese Frage in Zeiten der Globalisierung und Urbanisierung noch? Ich meine, ein wenig Provonzialität schadet nicht - nicht mal einer Großstadt wie Hamburg.

    • @Friedrich Zoller:

      Danke!

       

      Das spricht mir aus der Seele.

      Feddersen gehört auch zu den Leuten, die noch nicht mitbekommen haben, dass eine Linke kaum Interesse an immer größeren Organisationseinheiten haben kann, weil diese mehr und mehr die Individualität und die dazu gehörenden Entscheidungen mehr und mehr einschränken.

      Die zwanziger Jahre sind vorbei, Herr Feddersen.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    richtig guter artikel!anstatt sofort dagegen zu sein,könnte man olympia dazu nutzen die welt einzuladen und nachhaltig zu bauen.

    es wäre doch eine gute sache wenn das event olympia wieder demokratisiert würde.

    die steigenden mieten sind tatsächlich ein kritikpunkt,allerdings steigen diese sowiso und dem kann nur entgegen gesteuert werden indem mehr wohnungen gebaut werden und eine mietpreisbremse die diesen namen auch verdient zum tragen kommt.dafür sollte man kämpfen und nicht pro forma gegen olympia sein.

  • tja, Olympalotterie oder wie 1972 die Olympia münzen, alle Sponsoren können spenden, übernehmen Patenschaften usw, keine Steuergelder für Olympia !

  • Wir blasen jetzt erstmal 50-60 Millionen raus. Für: Papierkram, ein Image Video, diverse Unterwerfungserklärungen (PR-Sprech: „Garantien“, „Hosting Vertrag“), viel viel „VVIP hospitality“ (ja-ja, das sind very-very important persons)

     

    Aber dann die Jugendhilfe für 3,5 Millionen kürzen, die Winternotquatiere nicht auf die Reihe kriegen, oder bei schmierigen Privatisierungsdeals von Geld reden, „das wieder reinkommen muss“... was man dafür an Kita-Plätzen bauen oder an Radweg-Katastrophen erneuern könnte... oder einfach mal ein paar Freiflächen kaufen und als Grünflächen freihalten, in unseren zunehmend hochnachverdichteten Wohnklo-Stadtteilen.

     

    Aber die nachhaltige Entwicklung !1!!

     

    Kurze Durchsage: So „tiefseefähige“ Kaimauer, also wo Großschiffe anlegen können, ist übrigens VIEL zu kostbar, um da Wohnungen hinzubauen. Auch wenn das super in den Prospekten der Immobilienmaf... ÄH Projektentwickler aussieht. Wegen 14 Tagen Sportfest. Wirtschaftlich extrem-bullshit.

     

    Zum Glück geht der Kelch dann weiter an Boston... m)

    Vorraussichtlich verbrennen wir also lediglich 1/10-tel Elbphilharmonie (oder 3-4 Sozialprojekte) für Papierkram und Funktionäre hätscheln. Es könnte schlimmer sein.

  • Warum dieser so positive Artikel? Kaum eine Stadt in Deutschland ist gentrifizierter als Hamburg und Olympia wird dieser Entwicklung noch Vorschub leisten! Hamburg wird international kaum wahrgenommen. Berlin hat mehr fast dreimal soviele Gäste pro Jahr in der Stadt. Wenn überhaupt hat Deutschland beim IOC nur mit Berlin eine Chance...

  • Herodes hat die Olympischen Spiele auch finanziell gefördert.von daher weiß man mit wem man es zu tun hat schon seit 2000jahren,mit niemand mit denen ich ein bier trinken würde

  • Es gibt den Zuschlag ohnehin nicht...... warum also Geld rausschmeißen?.... Den einzigen Mehrwert den ich sehe, ist der Ansporn die Elbphilharmonie bis dahin endlich fertig zu bauen damit die Großkopferten, für den Fall der Austragung, der eh nicht eintritt, etwas zum prahlen haben....

     

    Für die Berlin-Bewerbung 2028 sehe ich bessere Chancen, falls bis dahin der Flugplatz fertig gebaut ist.....

    • @robby:

      Wenn sie einen neuen Flugplatz anfangen - der könnte bis dahin fertig sein. Könnte. Wenn man nicht Berliner Politiker alns Ruder läßt, sondern ein Baubüro, irgendeins.

      • @ioannis:

        Die Idee mit dem neuen Flughafen gefällt mir als Berliner aber das der pünktlich fertig wird ist etwas utopisch :)

         

        Hier in Berlin will kein Bürger die Olympiade haben. Das sagt irgend ein CDu-Politiker und und paar Sportverbände ach wäre das nicht toll!? Und schon hat man den Mist an der Backe. Generell ist es einfach schwachsinnig für solche Veranstaltungen Geld herauszuschmeißen, das sportliche lässt sich auch unter den herschenden Bedingungen vollziehen. Gibt wesentlich wichtigeres zu tun!