Olympiabewerbung München 2018: Rechtswidrig durchwurschteln
Es wäre ein sittenwidriger Vertrag, den der Oberbürgermeister von München bei einem Zuschlag für Olympia unterschriebe. Das besagt ein aktuelles Gutachten.
MÜNCHEN taz | Der Ort war sicher mit Bedacht gewählt. Ausgerechnet im Münchner Rathaus präsentierten Olympiagegner ein Gutachten über den Host-City-Vertrag, das sich leicht auf den Punkt bringen lässt: Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) überschreite seine Kompetenzen, wenn er den Vertrag unterschreibt. Außerdem sei der Olympia-Vertrag aufgrund seiner Einseitigkeit sittenwidrig.
Auch den Zeitpunkt haben die Olympiagegner bewusst gewählt: In acht Tagen entscheidet das Internationale Olympische Komitee, welche Stadt 2018 die Olympischen Winterspiele ausrichten darf. Lange galt München als zweiter Favorit hinter Pyeongchang in Südkorea. Doch inzwischen hat München aufgeholt - durch gelungene Präsentationen, aber auch durch einen gewonnenen Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen.
Mit dem Entscheid im Mai wollten die Olympiagegner eine Überprüfung des Host-City-Vertrags erzwingen. Als das scheiterte, haben sie den Verwaltungsrechtler Gerrit Manssen von der Uni Regensburg mit der Überprüfung des Vertrags beauftragt. Gestern präsentierte der Jurist sein 18-seitiges Gutachten. Seiner Meinung nach ist der Host-City-Vertrag, den Ude bei einem möglichen Zuschlag sofort unterschreibt, rechtswidrig und damit unwirksam.
"Ich habe noch nie einen so einseitigen Vertrag gesehen", sagte Manssen der taz. "Jede Klausel geht zulasten der Stadt." München übernehme ohne Genehmigung alle Risiken, speziell im finanziellen Bereich. Aber bei dem Vertrag geht es zum Beispiel auch um Marken- und Urheberrechte, Ein- und Ausreiseregelungen. "Etliche Dinge liegen außerhalb der Zuständigkeiten der Stadt, der Host-City-Vertrag verstößt gegen das bayerische Kommunalrecht", sagte Manssen.
Allerdings sieht der Rechtsgutachter keine Klagemöglichkeit gegen den Vertrag. "Lediglich die Rechtsaufsichtsbehörde, die Regierung von Oberbayern, könnte einschreiten", sagte Manssen. Der Rechtsgutachter hat aber "den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen rechtswidrig durchwurschteln wollen". Die Olympiagegner indes wollen noch einmal das Bayerische Innenministerium informieren und außerdem in einem Brief an alle IOC-Mitglieder auf ihr Gutachten hinweisen.
Die angegriffenen Olympiaplaner geben sich nach außen hin gelassen. Der Vertrag sei schon von vielen Staaten unterzeichnet worden, sagte ein Sprecher der Bewerbungsgesellschaft. Stadtoberhaupt Christian Ude träumt davon, mit dem Host-City-Vertrag im Gepäck wieder in München zu landen. Übrigens: Ude selbst hat den Vertrag einmal als "Zumutung" bezeichnet. Jetzt weiß er zusätzlich, dass er ihn eigentlich gar nicht unterzeichnen darf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid