Oligarchen schließen Sender: Plötzliches Aus von griechischem Attica TV
Der TV-Sender Attica TV aus Griechenland wird abrupt eingestellt. Ein Lehrstück darüber, wieso es im Land mit der Pressefreiheit weiter bergab geht.
Ein plötzlicher Tod. Und einer, der nicht aus ökonomischen Gründen erfolgt sein kann. Denn „Attica TV“, seit Anfang 2023 in Betrieb, kam mit einem Mini-Budget aus. Niedrige Gehälter – um die 1.000 Euro netto pro Monat -, keinerlei aufwändige Produktionen, dafür tagesaktuelle Polit-Talkshows, Interviews, Recherchen, Kommentare sowie Nachrichten: kostenbewusster ging es wirklich nicht.
Der Begründung der Betreiberfirma „Wide Media“, „Attica TV“ zu schließen, weil angeblich die Verhandlungen mit dem Eigentümer der Frequenz, der im Großraum Athen gelegenen Gemeinde Aspropyrgos, gescheitert seien, kann man kaum Glauben schenken.
Wie ihr Bürgermeister Jannis Ilias auf Anfrage des Athener Blatts Efsyn dazu erklärte, habe ihm „Wide Media“ für den künftigen Sendebetrieb mündlich läppische 5.000 Euro pro Monat geboten. Schon der bisherige Preis von 20.000 Euro im Monat war ein wahres Schnäppchen. Die äußerst finanzstarken Eigentümer von „Wide Media“, die Geschäftsleute Dimitris Bakos, Jannis Kaimenakis sowie Alexandros Exarchou, bezahlten ihn aus der Portokasse. Dem Griechen-Trio gehören weltweit 132 Firmen unter anderem in der Baubranche, der Schifffahrt sowie dem Finanz- und Energiesektor.
„Attica TV“ sendete aus einem eher unscheinbaren Gebäude im nördlichen Athener Vorort Maroussi, so wie es der ebenfalls dem unzertrennlichen Trio gehörende Sender „Action 24“ weiter tut. Nur: Während „Action 24“ – von seinen Eigentümern von Anfang an mit erheblich mehr Geld ausgestattet – der konservativen Regierung unter Premier Kyriakos Mitsotakis nahesteht, sparten die meist linken Attica-Journalisten on air nicht mit fundierter Kritik an ihr, ohne indes in einen schnöden Populismus abzudriften. Genügend Nahrung gab ihr die skandalträchtige Regierung Mitsotakis. Und siehe da: Nicht „Action 24“, sondern die arme Kirchenmaus „Attica TV“ stieß beim Publikum auf ein zunehmendes Interesse.
„Mediengeiselnahmen“
Medien sein Eigen zu nennen, ist hierzulande zwar kein einträgliches Geschäft. Das schreckt umtriebige Hellas-Oligarchen jedoch nicht im Geringsten davon ab, sich im darbenden Medienmarkt stark zu engagieren. Experten zufolge gehe es ihnen maßgeblich darum, Einfluss auf jene Parteien zu nehmen, die die Regierung in Athen stellen oder aus ihrer Sicht am liebsten stellen sollen.
Dies bestätigt ein vom Wiener International Press Institute (IPI) kürzlich veröffentlichter 31-seitiger Sonderbericht über Hellas' Medienlandschaft. Sie sei, so die IPI-Studie, durch eine hohe Konzentration in den Händen wohlhabender Unternehmer mit engen Verbindungen zur Politik gekennzeichnet, vor allem zur konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia. Trotz der Medienfülle sei der tatsächliche Pluralismus schwach, wozu das Fehlen einer wirksamen Medienregulierung beitrage. Hellas sei daher besonders anfällig für „Mediengeiselnahmen“.
Die Beobachter sind sich einig: Im Würgegriff der Oligarchen ist eine unabhängige, kritische Berichterstattung der Oligarchen-Medien kaum zu erwarten. Pikante, brisante oder skandalöse Sachverhalte mit Polit-Bezug werden erst gar nicht recherchiert, geschweige denn produziert. Das abrupte Aus von „Attica TV“ ist ein eindrückliches Lehrstück darüber, wieso Hellas in der Weltrangliste 2025 der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen den blamablen Platz 89 belegt und so im vierten Jahr in Folge in der EU abgeschlagen Letzter ist.
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