Ole von Beust zum Geburtstag: Der Lustlose
Ole von Beust ist 60 geworden – und kann auf eine durchaus spektakuläre politische Bilanz zurückblicken. Nur mit dem Aufräumen hat der Freiherr es nicht so.
HAMBURG taz | Zwei große Fehler hat Ole von Beust begangen – sich mit Schill einzulassen und von den Grünen abzulassen. Und zwei Dinge hat er richtig gemacht: Schill rauszuschmeißen und eine schwarz-grüne Koalition zu versuchen. Das ist eine durchaus spektakuläre Bilanz des Christdemokraten, der mit knapp neun Amtsjahren nach den Sozialdemokraten Max Brauer und Henning Voscherau der am längsten regierende Erste Bürgermeister in Hamburg war. Am Montag ist Ole von Beust 60 Jahre alt geworden. Glückwunsch nachträglich.
Es war der Rechtspopulist Ronald Schill, mit dessen Hilfe Ole von Beust 2001 Bürgermeister wurde. Er sei davon ausgegangen, dass man „Schill und seine Leute schon in den Griff bekommen würde“, gestand von Beust 2014 in seiner Autobiografie: „Vielleicht hatte ich mir Schill schöngeredet.“ Dass der „Richter Gnadenlos“ eine „tickende Zeitbombe“ war, habe er zu spät erkannt, schreibt von Beust.
Die Nötigung durch Schill, der Beusts angebliche Beziehung zu seinem Studienfreund und Justizsenator Roger Kusch (CDU) öffentlich machen wollte, sei für ihn „eine Frage der Ehre gewesen“, stellt er klar: „Man darf sich niemals erpressen lassen.“ Nicht vorhergesehen habe er, dass er wenige Monate später bei den Neuwahlen mit dem Slogan „Michel. Alster. Ole.“ die absolute Mehrheit holen und auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere sein würde.
Wurde als Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust am 13. April 1955 in Hamburg geboren. Ole: Seine Oma nannte den jüngsten von drei Brüdern zunächst "Ole Popp" ("Alte Puppe"), später wurde er nur noch Ole genannt. Mit 19 Jahren ließ er den Vornamen Ole standesamtlich eintragen. Beruf: Nach dem Jurastudium in Hamburg von 1983 bis 1993 Rechtsanwalt, seit 2010 wieder. Parlament: Von 1978 bis 2001 CDU-Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft, ab 1993 Fraktionsvorsitzender. Senat: Von 2001 bis 2010 Erster Bürgermeister in Hamburg.
Fast schon überschwänglich ist sein Verhältnis zu den Hamburger Grünen. Zuletzt Anfang Februar dieses Jahres tauchte der noch immer jungenhaft wirkende Rechtsanwalt, der jetzt als Unternehmensberater „endlich Geld verdient“ und vor zwei Jahren seinen damals 22-jährigen Freund Lukas heiratete, auf der Abschiedsfeier der ehemaligen grünen Spitzenfrau Christa Goetsch im Rathaus auf.
Bei den Koalitionsverhandlungen 2008 habe er den „Idealismus der Grünen ansteckend und erfrischend“ gefunden. Für ihn selbst sei Politik damals, nach drei Jahrzehnten als Abgeordneter und Bürgermeister, nur noch Routine gewesen, erinnert sich von Beust. Die Verbindung von Ökologie und Ökonomie sowie die gesellschaftliche Relevanz von Bildung und Integration hätten die Grünen „früher erkannt als alle anderen Parteien“ und „gesellschaftsfähig“ gemacht, gesteht er ein.
Immerhin ist von Beust als erster Ministerpräsident einer schwarz-grünen Regierung in die bundesdeutsche Geschichte eingegangen. Noch immer sehe er diese zweieinhalb Jahre als „sehr gelungene Zusammenarbeit, die ein anderes Ende verdient gehabt hätte“, schreibt von Beust in seinem Buch über seinen zweiten Fehler, den er bis heute nicht wahrhaben will: Mit seiner Entscheidung zum Rücktritt im August 2010 habe er „richtig gelegen“, ist er „nach wie vor überzeugt“. Denn er sei schon länger „recht lustlos“ gewesen.
Das waren wenig später auch die frustrierten Grünen, die mit seinem Nachfolger Christoph Ahlhaus nicht glücklich wurden und die Koalition drei Monate später platzen ließen. „Diesen Kladderadatsch“ habe er nicht vorhergesehen, räumte von Beust kurz darauf bei seinem einzigen Wahlkampfauftritt an der Seite von Ahlhaus ein, nun gebe es eben „so’n büschen Kuddelmuddel“. Und verpasste Ahlhaus im Vorbeigehen einen Nackenschlag: Er habe ihn „keineswegs als Notlösung“ betrachtet, erzählte er freimütig – den politischen Kunstgriff, das Gegenteil von dem zu meinen, was man sagt, beherrscht Ole von Beust noch immer.
Womit er sich auch vor einer klaren Aussage darüber drücken kann, warum er die Koalition, die sein historisches Verdienst war, seiner Bocklosigkeit opferte und einem überforderten Nachfolger übergab. Denn auch das ist typisch für den einstigen Sonnyboy der Christdemokratie: Das Aufräumen überließ er schon immer gerne anderen.
In diesem Fall Olaf Scholz.
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