Ole von Beust über Schwarz-Grün: "Wir regieren, banal gesprochen, gut"
Hamburgs Bürgermeister erklärt, dass er auch nach 2012 die Koaltion mit den Grünen fortsetzen möchte, verteidigt die Schulreformpläne gegen parteiinterne Kritik und ist glücklich, kein Berliner zu sein.
taz: Herr von Beust, gehen wir mal davon aus, dass Sie zur Wahl 2012 erneut antreten: Wollen Sie danach weiter mit den Grünen regieren?
Ole von Beust: Diese Koalition hat sich politisch und auch im persönlichen Umgang bewährt. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, wenn in der Politik neue Wege beschritten werden. Auch für Hamburg ist es richtig, den Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie herzustellen, wie wir das mit Schwarz-Grün schaffen. Deshalb würde ich, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, meiner Partei empfehlen, die Koalition mit den Grünen fortzusetzen.
Was macht Sie denn so offensichtlich zufrieden mit diesem Bündnis?
Weil wir, banal gesprochen, gut regieren. Das ist alles vernünftig und pragmatisch, im Koalitionsvertrag festgeschrieben, und es gibt keine rituellen Streitereien. Sicher gibt es für beide Seiten in der Koalition Grenzen, aber die sind bekannt und werden wechselseitig respektiert. Deshalb läuft es so gut.
Der grüne Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, hat der GAL kürzlich eine Koalition mit der SPD nach der nächsten Wahl nahe gelegt. Hat Sie das geärgert oder amüsiert?
Ich habe das zur Kenntnis genommen. Gefreut hat mich jedoch, dass die GAL-Parteivorsitzende Katharina Fegebank Herrn Trittin freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen hat, dass die Hamburger Grünen selbst entscheiden, mit wem sie koalieren, und sonst niemand. Berlin und Berliner Politiker sind halt manchmal ziemlich weit weg.
Überlebenswichtig für die Koalition kann der Volksentscheid über die Schulreform im Juli werden. Wer gewinnt das Referendum?
Ich glaube, dass man die Menschen inhaltlich erreichen und davon überzeugen kann, dass längeres gemeinsames Lernen sinnvoll und notwendig ist. Ich will aber kein Zweckoptimist sein, vielleicht stehen die Chancen fifty-fifty.
Sie ziehen in Betracht zu verlieren?
Ich würde das sehr bedauern. Zumal ein Scheitern in Hamburg bedeuten würde, dass auf lange Zeit auch sonst niemand in Deutschland sich an einer Schulreform die Finger verbrennen will und damit der deutsche Sonderweg des gegliederten Schulsystems und die frühe Trennung der Kinder nach der vierten Klasse zementiert blieben.
Hätte eine Niederlage Einfluss auf Ihren Entschluss im Herbst, weiterzumachen oder aufzuhören?
Nein. Beim Volksentscheid geht es um wichtige inhaltliche Fragen, nicht darum, ob jemand Bürgermeister bleibt oder nicht. Volksentscheide sind in Hamburg verbindlich, damit müssen wir leben. Aber Volksentscheide zu Sachfragen können nicht zugleich eine Vertrauensfrage für eine Regierung sein. Das kann man nicht koppeln.
CDU-Politiker wie Philipp Mißfelder kritisieren, Ihre Schulpolitik habe "wenig bis gar nichts mit den bildungspolitischen Vorstellungen" Ihrer Partei zu tun. Das sei der hohe Preis für Schwarz-Grün. Hat er recht?
Das ist die persönliche Meinung von Herrn Mißfelder. Meine ist eine andere. Wir reden viel zu viel über Strukturen und zu wenig über Inhalte. Und das heißt: Wir brauchen ein hohes Maß an Chancengerechtigkeit und eine viel leistungsspezifischere, individuelle Förderung.
Der CDU in NRW ergeht es derzeit ähnlich wie der Union in Hamburg: Die SPD holt in Umfragen auf, enge Mitstreiter des Regierungschefs müssen zurücktreten. Haben Sie Mitleid mit Jürgen Rüttgers?
Ich kenne Jürgen Rüttgers schon lange. Mein Mitleid braucht er nicht. Ich wünsche ihm, dass die CDU-FDP-Koalition dort weiterregieren kann.
CDU und Grüne in NRW haben eine Koalition miteinander demonstrativ nicht ausgeschlossen. Schadet die Schwarz-Grün-Debatte einem möglichen Bündnis eher, als dass sie nützt?
Koalitionsdiskussionen schaden immer. Die Mobilisierung der eigenen Leute wird schwer, wenn der Eindruck entsteht, es gehe um taktische und strategische Spielchen, nicht um Inhalte.
Ihre Botschaft an Jürgen Rüttgers lautet: Mach weiter mit der FDP?
Ja. Diese Koalition war ja sehr erfolgreich, beispielsweise in der Wirtschafts- und Integrationspolitik.
Sie werben nicht für Schwarz-Grün in Düsseldorf?
Nein.
Sie regieren seit zwei Jahren mit den Grünen. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen, etwa für ein künftiges schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene?
Ich habe die Hamburger Grünen kennengelernt als ausgesprochen zuverlässige, vernünftige, vertrauenswürdige Koalitionspartner. Die Koalition hier klappt gut. Aber das heißt nicht, dass sie andernorts auch klappen muss.
Die Bundes-CDU macht ihre Annäherung an die Grünen derzeit wieder zunichte - durch die Forderung nach einem Ausstieg aus dem Atomausstieg. Halten Sie das für klug?
Ja. Ich war selbst Leiter einer Kommission für Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz. Und wir haben gesagt: Ja zu längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken, um uns nicht abhängig zu machen von Kohlekraftwerken oder Energielieferungen aus dem Ausland. Nur muss die Hälfte der zusätzlichen Gewinne dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stabilisierung des Strompreises zugute kommen. Falsch finde ich die Diskussion darüber, um wie viel die Laufzeiten verlängert werden sollen. Und da meine ich persönlich: Es muss ein überschaubarer Zeitraum sein.
Einerlei, ob die Kraftwerke 8, 20 oder 28 Jahre länger laufen: Die Rücknahme des Atomausstiegs werden die Grünen der Union übel nehmen.
Das hat die CDU schon vor der Wahl angekündigt. Und es kann ja wohl nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, sich an die Grünen heranzuschmeißen.
Aber wenn es so weitergeht, wird Angela Merkel 2013 die Machtoption Schwarz-Grün fehlen.
Die nächste Bundestagswahl ist in dreieinhalb Jahren. Sie kann ihre Politik da sicher nicht schon auf den nächsten Wahlkampf ausrichten.
Die FDP und ihr Vorsitzender Guido Westerwelle wirken so, als täten sie eben dies.
Der Start der schwarz-gelben Koalition war schwierig, aber seit einigen Wochen läuft es doch vernünftig.
Haben Sie Tipps für die Koalitionsführung aus Hamburg an Berlin?
Ich bin kein Lehrmeister. Das Problem in den ersten Monaten der Koalition war, dass es wechselseitige öffentliche Schienbeintritte gab. Das sollte man unterlassen und intern klären. Das ist eine Frage des Stils: Weniger ist mehr.
Die FDP sieht das ganz anders. Sie fordert massive Steuersenkungen, während die öffentlichen Einnahmen wegbrechen.
Ich bin zwar strikt gegen diese Position. Aber man muss sie inhaltlich nachvollziehen: Seit fast 30 Jahren haftet der FDP das Image der Umfallerpartei an. Sie hat deshalb eine Heidenangst davor, kurz nach der Wahl ihr zentrales Wahlkampfthema aufzugeben.
Also sagen Sie Ja zu den Forderungen der FDP?
Ich würde mit Steuersenkungen warten, bis sich die Wirtschaftslage wieder gebessert hat. Mein Tipp: Wiedervorlage der Steuersenkungspläne 2012.
In der Integrations- und Bildungspolitik rückt die Bundes-CDU in die Mitte. Wachsen da Ihre Ambitionen, in Berlin mitzumischen?
Nein, absolut nicht. In Hamburg bin ich - trotz aller Einschränkungen - weitgehend mein eigener Herr. Mir liegt der Berliner Politikbetrieb nicht, er ist zu aufgeregt. Der Zwang der Medien zur Zuspitzung ist zu groß. Als Herr Rösler einmal sagte, er wünsche sich, ohne Anzug durch Berlin gehen zu können, wurde daraus: "Rösler will nackt durch Berlin laufen." Als er das dementierte, hieß es: "Rösler rudert zurück."
Sie bleiben also in Hamburg?
Ja. Bei den Sitzungen in Berlin muss ich jedes Mal den Kopf schütteln. Nehmen Sie die Ministerpräsidentenkonferenzen: Draußen stehen zig Sicherheitsbeamte. Dazu haben alle Regierungschefs ihre Mitarbeiter dabei, hinzu kommen die Fahrer. Das sind 150 Leute in grauen Anzügen und mit kleinen Knöpfen am Revers. Was für eine Kunstwelt! Das ist nicht mein Ding.
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