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Ohne Trauschein nur halb tauglich

Edmund Stoiber wird die hochschwangere Katherina Reiche in sein Kompetenzteam berufen – aber bloß ein bisschen: Für „Familie“ darf die in „wilder Ehe“ lebende CDU-Aufsteigerin nicht sprechen. Wertewahrer der Union pfiffen Stoiber zurück

von CHRISTIAN FÜLLER und B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

Die persönliche Lebensplanung von Katherina Reiche sieht so aus: Die 28-jährige Ostdeutsche will im August ihr zweites Kind zur Welt bringen, drei Wochen Babypause machen und anschließend voll in den Wahlkampf einsteigen – im Kompetenzteam von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Um ihren Säugling soll sich vorerst eine Tagesmutter kümmern.

Mit diesem taffen Zeitplan hat die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche nun allerdings ihre politische Lebensplanung ein klein wenig durcheinander gebracht. Den wirklich konservativen Kräften der Union war Reiches Form von Familienplanung zu kreativ. Der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Alois Glück, und die „Christdemokraten für das Leben“, so heißt es, haben Stoiber geraten, die Berufung der Unverheirateten zu überdenken.

Letzte Woche traf sich der Kanzler-Bewerber mit Reiche im Beisein von Angela Merkel. Das Ergebnis: Stoiber will die Ostdeutsche in sein Wahlkampfteam berufen – allerdings mit eingeschränkten Zuständigkeiten. Für Familienpolitik soll sie nicht stehen. Am Mittwoch wird die Jungparlamentarierin der Öffentlichkeit präsentiert.

Damit beginnen die Erklärungsnöte von Stoiber und Reiche erst. Reiche darf ausgerechnet für jene Felder nicht sprechen, bei denen sie bislang am spektakulärsten agierte. Unter Katherina Reiche waren zum Beispiel die Stillzimmer des Bundestages familienfreundlicher geworden. Die Abgeordnete fand es dort zu kalt und steril, wenn sie ihre Tochter Maria zwischen Ausschusssitzungen anlegte.

Aufsehen erregte Reiche zudem mit ihrem Engagement für embryonale Stammzellen. Reiche ging mit ihrem Antrag für die offene Abstimmung im Bundestag im April am weitesten. Sie plädierte dafür, einen kontrollierten Import embroyonaler Stammzellen zuzulassen – und warb damit als Christdemokratin für Embryonen als Forschungsrohstoff. Reiche, Sprecherin für Humangenetik der CDU-Fraktion, zog dabei Unionsgranden wie Wolfgang Schäuble auf ihre Seite. Den Lebensschützern der CDU aber war das wohl doch zu fremd.

Katherina Reiche steht weiter zu ihren Haltungen. Heiraten „ist eine ganz persönliche Entscheidung von meinem Mann und mir“, sagte sie der taz, „und völlig unabhängig von politischen Fragen“. Unabhängigkeit, das ist auch das Stichwort, das Florian Lewens einfiel. Katherina Reiches CDU-Ortsvorsitzender aus Teltow meinte, Stoiber müsse sich als Kanzlerkandidat damit abfinden, nicht mehr nur stark konservativ eingefärbte CSU-Positionen vertreten zu können. Tatsächlich hat Reiche noch so einiges auf Lager: Gegen gleichgeschlechtliche Paare hat sie nichts einzuwenden, und Rudi Dutschke, den Studenterevolutionär und berühmtesten Sohn ihres Heimatörtchens Luckenwalde, empfindet Reiche irgendwie als Vorbild.

Offiziell ist das alles für Stoiber nicht das Problem: Die Frau sei hochschwanger, so die Sprachregelung, da könne man sie eben nicht zu 100 Prozent für den Wahlkampf einplanen.

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