Offener Brief italienischer Autoren: Kritik an Eingriff der Politik
Italien ist Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Italienische Schriftsteller*innen haben einen offenen Brief an den Messedirektor geschrieben.
Eigentlich ist die Frankfurter Buchmesse für das Ehrengastland eine Chance, sich einem breiten Publikum vorzustellen. Schriftsteller*innen reisen an, Übersetzungen werden präsentiert, Geschäftsbeziehungen entstehen. Die Stimmung in der italienischen Delegation ist aber alles andere als entspannt, die Gründe dafür sind in Rom zu suchen.
Denn es kracht zwischen den italienischen Schriftsteller*innen und der Regierung von Giorgia Meloni. Ende Mai hatte der „Fall Saviano“ für Empörung gesorgt: Der Mafiaexperte und regierungskritische Schriftsteller war nicht in die italienische Delegation für die Buchmesse eingeladen worden – mit fadenscheinigen Begründungen des von Melonis Kabinett ernannten Buchmessebeauftragten Mauro Mazza.
Als Folge sagten Autoren wie Paolo Giordano, Sandro Veronesi und Francesco Piccolo aus Solidarität ihre Teilnahme ab, andere positionierten sich klar gegen die Regierung. Nun haben 41 Autorinnen und Autoren am Montag einen offenen Brief veröffentlicht, der an den Präsidenten des italienischen Verlegerverbands, Innocenzo Cipolletta, und den Direktor der Buchmesse, Jürgen Boos, adressiert ist.
Es geht in dem Brief, unterzeichnet unter anderem von Paolo Giordano, Antonio Scurati, Dacia Maraini und Francesca Melandri, nicht nur um Saviano. Der Eingriff der Politik, schreiben die Autor*innen, äußere sich „nicht nur in der systematischen Besetzung aller Entscheidungspositionen in der Kulturbranche nach politischer Treue, sondern auch in mehr oder weniger expliziten Formen der Zensur, in persönlichen, diskreditierenden Angriffen und in der skrupellosen Nutzung von Gerichtsverfahren gegen Schriftsteller, Journalisten und Intellektuelle durch die Machthaber“.
Keine Duette zwischen Italiener*innen
Die Kritik am italienischen Komitee ist dabei nicht nur politischer, sondern auch inhaltlicher Natur. Die Autorinnen und Autoren beklagen, dass das vom Komitee erarbeitete Programm nicht den kulturellen Austausch, sondern vielmehr „Duette zwischen italienischen Autoren“ fördere. Diese sollen auftreten und zu bestimmten Themen miteinander sprechen, ein Ansatz, der in dem Brief als „unbesonnen“ bezeichnet wird. Interkulturelle Veranstaltungen würden der Initiative Einzelner und ihrer deutschen Verlage überlassen, so der Vorwurf.
Das zeuge von „einer fehlenden kulturellen und verlegerischen Strategie“ des italienischen Komitees. Mit ihrem Brief wollen die Autorinnen und Autoren daher vor allem eines: mehr öffentliche Begegnungen mit ihren deutschen und anderen europäischen Kolleginnen und Kollegen anstoßen. Auch angesichts der Ergebnisse der letzten Europawahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku