piwik no script img

Offener Brief gegen BildungssenatorinTeilzeit zu oft ein Vollzeitjob

Frauenvertreterinnen an Schulen fordern familienfreundlichere Arbeitszeiten und weniger Unterrichtsstunden für LehrerInnen.

Einfache Rechnung: Weniger Unterricht gleich mehr Zeit für die Familie Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die Frauenvertreterinnen der allgemeinbildenden Schulen in zwei Bezirken sind sauer: In einem offenen Brief werfen die Beauftragten aus Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vor, sich nicht genug für fami­lienfreundliche Arbeitszeiten an den Schulen einzusetzen. Die Forderung: Vollzeit-LehrerInnen sollen nur noch 21 Stunden pro Woche unterrichten – statt wie bisher bis zu 28 Stunden. Die Senatsbildungsverwaltung sei bereits mehrmals vom Bundesfamilienministerium als familienfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet worden, „aber in den Schulen kommt davon nichts an“, sagt die Vertreterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Sabine Pregizer, am Donnerstag.

Hintergrund für die Forderung nach weniger Unterrichtsstunden ist ein Urteil zu Teilzeitarbeit an Schulen – das die Bildungsverwaltung nach Meinung der Frauenvertreterinnen nicht durchsetzt: Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2015 geurteilt, dass Teilzeit für LehrerInnen auch nach Unterrichtsschluss gelten muss. Tatsächlich gibt es aber häufig eine Reihe von Nachmittagsterminen an Schulen wie Konferenzen oder Elternabende. Die Bildungsverwaltung stellt es den Schulleitungen dabei weitgehend frei, wie sie einen Ausgleich für ihre Teilzeitkräfte regeln und ob sie Konferenzen so legen, dass das Kind noch von der Kita abgeholt werden kann – es gibt nur „Handlungsempfehlungen“.

Zu unverbindlich, die Schulleitungen könnten sich so leicht aus der Verantwortung stehlen, kritisierten die Frauenvertreterinnen bereits 2017. Seither hat sich bei dem Thema nichts mehr getan – deshalb nun die Forderung nach weniger Unterrichtsstunden für VollzeitlehrerInnen. Denn Teilzeit sei so, wie sie momentan an Berliner Schulen geregelt ist, eben keine Option. Hinzu komme der Verdienstausfall, der vor allem für Alleinerziehende problematisch sei.

Die Frauenvertreterinnen treiben das Thema vor sich her, weil auch an Schulen Teilzeitarbeit vor allem Frauensache ist: Von den 8.000 Teilzeitlehrkräften in Berlin sind 6.700 Frauen. Unterstützung für ihre Forderung nach weniger Unterrichtsstunden bekommen sie von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: „Dass so viele Lehrerinnen in Teilzeit gehen, zeigt ja, dass der Bedarf nach Entlastung groß ist“, sagt Landeschefin Doreen Siebernik. Die Bildungsverwaltung äußerte sich am Donnerstag nicht zu dem Schreiben.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!