Offener Brief an Horst Seehofer: Journalist*innen wollen Klarheit
Sechs Medienorganisationen appellieren an Horst Seehofer. Sie wollen wissen, ob alle auf den „Todeslisten“ Genannten informiert werden.
Mehrere Medienorganisationen fordern von Innenminister Horst Seehofer Klarheit über die sogenannten Todeslisten rechtsextremer Gruppierungen. In einem offenen Brief richteten sich am Mittwoch unter anderem die Neuen deutschen Medienmacher, der Deutsche Journalisten-Verband und die Deutsche Journalisten-Union (Verdi) an den Bundesminister. Sie verlangen vom Ministerium, für die Sicherheit von Journalisten zu sorgen.
„Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beinhaltet es die Bringschuld der Behörden, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um eine identifizierte Person zu schützen, deren Leben durch kriminelle Akte einer anderen Person gefährdet ist“, heißt es in dem Brief.
Immer wieder werden Sammlungen von Namen und Adressen aus dem rechtsextremen Milieu bekannt. Auf diesen Listen stehen neben antifaschistischen und antirassistischen Akteuren, jüdischen und postmigrantischen Einrichtungen und Politikerinnen und Politikern auch immer wieder unliebsame Journalisten. Der im Juni ermordete Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) stand auf einer Liste des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU).
Im Interview mit taz.de sagt die Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher, Sheila Mysorekar: „Diese Listen gehen uns alle an. Es kann nicht jedem einzelnen Menschen überlassen werden herumzuraten, ob er oder sie auf einer dieser Listen steht. Gerade Journalistinnen und Journalisten werden von Rechtsradikalen als besondere Gegner betrachtet.“
Informiert wird mal so, mal so
Obwohl einige dieser Listen, die zuweilen Privatadressen und Telefonnummern verzeichnen, den Sicherheitsbehörden seit geraumer Zeit vorliegen, geht die Informationspraxis auseinander. In manchen Ländern, etwa Bayern, wurden einige Personen früh durch die Behörden darüber informiert, dass sie auf solchen Listen gelandet sind, in anderen wurde selbst auf Anfrage lange Zeit keine Auskunft erteilt.
Im Juli wurden einige Personen in Mecklenburg-Vorpommern informiert, dass sie auf einer Liste der rechten Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ stehen. Einer dieser Briefe liegt der taz vor. Darin wird das Bundeskriminalamt (BKA) zitiert: „Der derzeit in der medialen und öffentlichen Diskussion verbreitete Begriff der ‚Feindes-‘ oder gar ‚Todesliste‘ ist […] konsequent zurückzuweisen.“ Auf Twitter sprach das BKA von „rechtsextrem motivierten Adresssammlungen“.
In dem offenen Brief fordern die Organisationen das Innenministerium auf, „die betroffenen Einzelpersonen (auf Nachfrage ihrerseits) sowie Organisationen (proaktiv) darüber zu informieren, ob sie auf einer der Listen stehen.“ Zudem wird in dem Brief konkret danach gefragt, ob eine der unterzeichnenden Medien-Organisationen auf der Liste steht. Und: „Können Sie uns zusichern, dass die Mitglieder dieser Organisationen nicht gefährdet sind?“
Auf der Webseite des Bundeskriminalamtes heißt es bislang dazu: „Die alleinige Tatsache, dass eine Person auf einer solchen ‚Liste‘ steht, führt nicht zwangsläufig zu einer Gefährdung. Es kann aber im Einzelfall sein, dass weitere Erkenntnisse hinzukommen, die eine Gefährdung begründen.“
Auskunftssperre beim Melderegister
Dem hält Sheila Mysorekar entgegen: „Es gibt ausreichend Beispiele für die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen, bis hin zum Mord. Der Staat kann also nicht davon ausgehen, dass diese Listen nur aus Langeweile zusammengestellt wurden.“ Es könne nicht den Journalistinnen und Journalisten überlassen werden, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen.
Damit meint Mysorekar keinen Personenschutz, sondern „ein hartes Durchgreifen gegenüber denjenigen, die solche Listen zusammenstellen und verschicken, und gegenüber denjenigen, die Hass verbreiten und Menschen angreifen“. Im offenen Brief an Seehofer wird zudem gefordert, dass Journalistinnen und Journalisten eine „unkomplizierte Auskunftssperre für Privatadressen im Melderegister“ erwirken können sollen. Über das Melderegister können ohne eine entsprechende Sperre Anschriften von Privatpersonen unter bestimmten Voraussetzungen abgefragt werden.
Das Ministerium hat sich auf taz-Anfrage am Mittwoch zunächst nicht zu dem Brief geäußert.
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