Offene Haftbefehle: Berliner Neonazis abgetaucht
Die Berliner Justiz sucht nach 27 flüchtigen Neonazis. Die Innenverwaltung beteuert, sich stärker als früher um Rechtsextremismus zu kümmern.
20 dieser gesuchten Personen hätten ihren letzten bekannten Aufenthaltsort in Berlin, heißt es. In vier Fällen wird wegen einer Gewalttat ermittelt. Allerdings geht es nur in einem Fall um eine Gewalttat, die politisch motiviert gewesen sein soll. 2016 gab es der Behörde zufolge keinen Haftbefehl „im Zusammenhang mit einem Terrorismusdelikt“.
Die Zahl der offenen Haftbefehle gegen Rechtsextremisten steigt laut den Angaben seit 2013. Allerdings nehme auch die Zahl der vollstreckten oder auf anderem Weg erledigten Haftbefehle in diesem Bereich zu, heißt es in dem Papier. Am Ende blieben die Zahlen in den Erhebungen daher konstant.
Nach Bekanntwerden der NSU-Morde gründeten Bund und Länder 2012 das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum. Auch der Berliner Verfassungsschutz und die Polizei sind daran beteiligt. Ziel sei „der regelmäßige Austausch von Erkenntnissen über rechtsextremistische Bestrebungen, deren Aktivitäten und Vernetzungen“, schreibt die Innenverwaltung.
Sie listet in ihrer Antwort weitere Veränderungen auf: Die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen sei verstärkt worden. Beim Berliner Verfassungsschutz gebe es nun ein eigenes Referat, das sich ausschließlich mit der Aufklärung des Rechtsextremismus befasse. Die Mitarbeiter würden zudem im Bereich der interkulturellen Kompetenz geschult.
„In unserer Wahrnehmung gibt es bei den Behörden tatsächlich eine wachsende Sensibilität für Betroffene rechtsextremer Straftaten“, sagt Michael Trube von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Allerdings hänge es stark davon ab, mit wem man es gerade zu tun habe. Es gebe nach wie vor Polizisten, die rechtsextreme Schmierereien an Hauswänden nicht als konkrete Bedrohung für die Betroffenen anerkennen würden.
Dass die Behörden von 27 gesuchten Nazis nicht wissen, wo sie sich aufhalten, erzeugt bei Michael Trube „ein ungutes Gefühl“: „Jeder Rechtsextreme, dessen man nicht habhaft wird, ist einer zu viel.“ Allerdings gebe es auch genug Rechtsextreme in Berlin, die nicht mit Haftbefehl gesucht würden. „Auch die stellen eine große Bedrohung dar.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt