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Özdemir über die türkischen Proteste„Erdogan würde Merkel wählen“

Der Grünen-Vorsitzende spricht über die Situation in der Türkei und den Druck der Straße. Özdemir glaubt nicht, dass Ministerpräsident Erdogan die Probleme lösen kann.

Erdogan findet sich großartig. Das sehen offenbar nicht alle so – weder in der Türkei, noch in Deutschland (Foto aus Hamburg) Bild: dpa
Daniel Bax
Interview von Daniel Bax

taz: Herr Özdemir, Premier Erdogan hat ein Referendum über das Bauprojekt am Gezi-Park und die Räumung angekündigt. Wie bewerten Sie das?

Cem Özdemir: Er muss sich an seinen Taten messen lassen. Herr Erdogan hat schon viel angekündigt. Alles, was zur Deeskalation beiträgt, ist gut. Es ist aber fraglich, ob Erdogan dafür der Richtige ist. Es sollte jedenfalls niemand überraschen, dass auch die Protestierenden skeptisch bis ablehnend reagieren.

Sie waren in Istanbul. Wie haben Sie die Proteste erlebt?

Erdogan täuscht sich, wenn er glaubt, es mit den üblichen Gegnern zu tun zu haben, die sich ein autoritär-laizistisches Regime zurückwünschen. Das sind überwiegend Jugendliche, die zum Teil zum ersten Mal auf die Straße gegangen sind. Es geht ihnen um Ökologie und um Demokratie, aber auch um ihre persönliche Freiheit. Da waren auch Konservative und Frauen mit Kopftuch dabei.

Die Medien in der Türkei haben sehr vorsichtig über die Proteste berichtet.

Die Medien in der Türkei sind anfällig für Knebelungen aller Art. Den Medienkonzernen dort gehören nicht nur Zeitungen, Fernsehsender und Online-Portale, sondern auch Bauunternehmen und Energieversorger. Die sind auf Aufträge vom Staat angewiesen. Deswegen sorgen die Verleger auch schon mal dafür, dass kritische Journalisten zuerst entlassen werden.

Protestierende Anwälte wurden festgenommen, so viele Journalisten wie nirgendwo anders sitzen in Haft. Hat die CDU recht, dass das Land noch nicht reif ist für die EU?

Ich kenne niemand, der sagt, dass die Türkei schon reif ist für einen Beitritt. Diese Jugendlichen, die auf dem Taksim-Platz demonstriert haben, sind nicht anders als die jungen Leute in Paris, Madrid und Berlin, sie wollen Teil von Europa sein. Die wollen keine Atomkraftwerke oder dass historische Stadtviertel niedergewalzt werden. Wenn die CDU/CSU Herrn Erdogan glücklich machen möchte, dann soll sie an ihrem Kurs festhalten. Der will eine Türkei, die keine Einmischung aus Brüssel fürchten muss. Erdogan würde in dieser Frage Merkel und Seehofer wählen.

Im Interview: Cem Özdemir

ist Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Der 47-Jährige hat während der Proteste auf dem Taksim-Platz und im Gezi-Park Istanbul besucht.

Wie soll sich Europa verhalten?

Man muss mit ihm Klartext sprechen. Eine Türkei, die wirtschaftlich liberal bloß auf Wachstum gepolt und autoritär regiert wird – das wird nicht funktionieren. Wir werden die Verhältnisse in der Türkei nicht von Deutschland aus ändern können, das können nur die Menschen dort. Dazu muss dort aber auch Bewegung in das konservative Lager kommen. Inzwischen mehren sich aber auch in seiner eigenen Partei die kritischen Stimmen.

Was wird von den Protesten bleiben?

Sie haben die Türkei schon jetzt verändert. Sie haben gezeigt, dass es eine dritte Kraft gibt, jenseits der klassischen Konfliktlinien von religiös-konservativem Lager und säkular-nationalistischen Eliten gibt. Die einen wollen das Osmanische Reich wieder aufbauen, die anderen wollen in die 1920er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Diese jungen Leute aber wollen in die Zukunft.

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18 Kommentare

 / 
  • B
    bull

    @von eişnem Türkenfreund

    Wirres Zeug?

    das glaube ich weniger.Sie glauben doch nicht ernsthaft der Euro wird zerbrechen?

    Eher wird die Türkei zerbrechen.Die Türkei hat nach der Staatspleite von 1999/2000 es verpasst İhre Wirtschaft in eine Neue Richtung umzumodeln.Klar wie denn auch,die Kreditgeber haben ja die Bedıngungen diktiert.Und die sind nunmal Kapıtal fixiert.Daraufhin fing dıe Erdogan Clıque an alle Staatsunternehmen zu verkaufen.Dıe Gewerkschaften zu zerschlagen und die Arbeitnehmerrechte auf eın Mınımum zu Beschneiden.Dıe Folge war ein ungeahntes eınströmen von Kapıtal aus allen Richtungen.Es wurden haufenweise Fabrıken mit Beteilıgungen aus dem Ausland gegründet.So weit so gut.Trotz dem Ausverkauf der Türkei und bester Rahmenbedıngungen hat es diese Erdogan Mafiaclıque trotzdem nicht geschafft auch nur in einem Jahr die seit osmanischen Zeiten negative Leıstungsbilanz in ein positives umzuwandeln.İch mag mir gar nicht vorstellen was bei einem Wırtschaftlichen Nullwachstum hier passiert.

  • SG
    Schmidt Georg

    siehe S21-obwohl es fast zum Bürgerkrieg gekommen wäre, die Grünen vehement gegen S21 waren, wird weitergebaut-obwohl nun eine Grüne Regierung in Stuttgart den Ton angibt und einen Bau Stop hätte veranlassen können-die, die bei den Demos Gesundheit und Leben riskiert haben-sind die Dummen, zZ ist Thema S21 Vergangenheit-!

  • VD
    @von Die Grünen würden die Grünen wählen:

    du darfst interpretieren, denken, waehlen wie dir beliebt, jedoch sollte man unwahrheiten, halbwahrheiten oder dinge die aus dem zusammenhang gerissen sind, nicht in einer politischen diskussion veroeffentlichen.

     

     

    informiere dich bitte zukuenftig bevor du das naechste mal irgendwelche links(ich koennte wetten du hast den link von facebook oder twitter) publizierst.

  • T
    Türkenfreund

    Hallo bull

     

    was reden Sie da für wirres Zeug? Jetzt warten Sie erst einmal ab, vielleicht gibt es den Euro demnächst nicht mehr, womit sich auch die Frage nach einem Beitritt der Türkei in die EU erledigt hätte.

     

    Und ehrlich gesagt, wer glaubt den wirklich noch an die EU oder den Euro - nehmen Sie sich doch mal für einen "Moment" zur Seite und meditieren Sie mal darüber! Glauben Sie wirklich, dass es mit der gegenwärtigen Entwichlung in Europa so weiter gehen wird (kann)? Der "Knacks" wird kommen und bekanntlich ist nach einem Knacks nichts mehr wie früher.

     

    Die Türkei wird bei dieser Entwicklung noch am besten dastehen. Die Türken verfügen (ungebrochen) über einen gesunden Menschverstand und einen untrügerischen Instinkt, den sie ihrer großen Geschichte und Herkunft verdanken. Das kann ihnen keiner wegnehmen. Sie sind moralisch nicht so verkommen, wie der Großteil der Europäer.

  • SG
    Schmidt Georg

    ehrlich, mir grauts, wenn die Grünen im Herbst Deutschland übernehmen wollen!

  • SG
    Schmidt Georg

    das Letzte ws die Welt braucht-ist Özdemir&Co !

  • B
    bull

    Kleiner dummer Özdemir.İch bim gerade in der Türkei.Wie kommen Sie dazu das System AKP schönzureden?Diese Partei ist dıe schlimmste Bedrohung für den Bestand des türkischen Staates die ich ın meinem Leben erlebt habe.Die Gehirne der AKP sind ganz klar gewaschen worden.Mit denen kann man nicht einmal mehr prıvat reden.Alles was ich hier sehe dient dazu die Türken ın eınen arabischen İslamgewürgestatt umzumodeln.Die Situation hier erınnert mich stark an 1979 nur dass diesmal keine :Armee kommen wird um schlımmeres zu verhüten.Dıe AKP Sender verstrahlen völlıg ungenieret und ohne irgendwelche Reaktion der Polizei hier öffentliche Aufrufe zum Bürgerkrieg.Wer das nicht glaubt sollte sich mal die Agitatıon dieser Sender ab einer bestimmten Sendezeit anschauen.Richtig widerlich.İch erwarte von der EU dass Sie Erdogan vor dıe Wahl stellt.Entweder wird die Türkei ein weltlıcher Staat oder Schluss mit den Beitrittsverhandlungen.Es gibt nichts mehr zu dıskuttieren.Die Fakten liegen in diesem Fall klar auf dem Tisch.

  • H
    Hahaha

    "Ich kenne niemand, der sagt, dass die Türkei schon reif ist für einen Beitritt."

     

    Ich schon. Sogar eine ganze Partei.

     

    Erinnert mich jetzt aber ganz Stark an ...niemand will eine Mauer bauen....

  • DG
    Die Grünen würden die Grünen wählen

    Boah ist das billig. Man ist ja von Daniel Bax einiges gewohnt aber platter als das hier gehts nicht. Übrigens eine Preisfrage: Wie begrüßt Claudia Roth Mitglieder von Diktaturen die in ihrem land Frauen steinigen, Menschen auspeitschen und verstümmeln lassen oder Schwule am Baukran baumeln lassen wenn sie nicht gerade junge Leute bei Demos zusammenballern?

    a) Gar nicht

    b) notgedrungen nur auf diplomatischenm Niveau

    c) Lachend mit High Five

     

    Auflösung mit der gleichzeitgen Beantwortung wen islamische Hardliner wählen würden:

    http://www.google.de/imgres?q=claudia+roth+iranischer+botschafter&um=1&sa=N&biw=1920&bih=951&hl=de&tbm=isch&tbnid=MkNjX2zu8snOOM:&imgrefurl=http://freeirannow.wordpress.com/2013/02/06/claudia-roth-und-der-massenmorder/&docid=lX5WPUl3TEvHfM&imgurl=http://freeirannow.files.wordpress.com/2013/02/attar_roth.jpg&w=1004&h=616&ei=AVS6UafpE87bsgbXm4HoDw&zoom=1&iact=hc&vpx=513&vpy=226&dur=1259&hovh=176&hovw=287&tx=196&ty=93&page=1&tbnh=138&tbnw=224&start=0&ndsp=56&ved=1t:429,r:2,s:0,i:89

  • S
    Scientist19

    Was fuer ein Unterschied:

     

    Wahrend die mutigen Demonstranten offen gegen Entdemokratisierung und Islamisierung protestieren, hoeren sich Oezdemirs Kommentare eher an wie taktische Ratschlaege fuer Erdogan und die AKP.

     

    Und all seine Verdrehungen enden immer mit der Conclusio des EU Beitritts. dessen Prozess er jetzt sogar beschleunigen will. Ist das Ruecksichtnahme auf die (laut Umfrage 2012) 61% AKP Anhaenger in Deutschland ?

     

    Man muss sich bisweilen fragen, wie gering er eigentlich die Intelligenz seiner Zuhoerer einschaetzt.

     

    Dabei waere ein Aussetzen der EU Verhandlungen DAS Mittel Erdogan und seine AKP zu stoppen. Selbst die AKP Anhaenger in Deutschland wuerden ihm dies nicht verzeihen. Das Kapitel Erdogan waere ganz schnell zu den Akten gelegt.

  • TL
    Tim Leuther

    @Michel_Berlin

     

    Hollande lebt in einer Demokratie und muss sich mit einer Presse rumschlagen.

     

    Und nicht in so einem Pseudokratie wie es Sie auch in Venezuela gibt.

     

    PS: Für eine neue Partei braucht man nicht nur 10%+ sondern muss auch in allen 62 Provinzen ein Parteibüro haben. Macht mindestens 1/4 Million Euro Miete.

  • C
    cemplem

    Was für eine dümmliche Verquickung von "Erdogan" und "Merkel". Primitiver geht es nicht.

     

    Kretsche war doch kürzlich erst zum A.... lecken in Ankara. Ball flach halten, Özdemir!

  • MK
    Manfred Kosta

    Dankeschön an ERDOGAN !

     

    Bevor ERDOGAN vor 10 Jahren an die Macht kam, wurde die Türkei durch Regierungen,

    die mit dem internationalen Finanzsystem und Gladio ähnlichen Organisationen eng verflechtet waren,

    an den wirtschaftlichen Abgrund getrieben.

    Letzten Monat wurde die letzte Rate der 25 Milliarden, die die Regierung vor Erdogan aufgenommen hatte an den IWF

    zurückbezahlt. Die extrem hohen Zinssätze, mit denen internationale Großbanken Milliarden verdient haben, bevor Erdogan

    das Ruder übernahm und die Geldhähne abgestellt hat, indem er die Zinsen unter 5% senkte, sind vorbei.

    Ausländische Geheimdienste und das Großkapital versuchen mit Hilfe ihrer Handlanger CHP und ausländischer Provakateure,

    ein demokratisch mit 50% Stimmenanteil gewählte Regierung zu stürzen, wie sie es mit Hilfe von Militärputsch`s in den letzten 60 Jahren geschafft haben.

    Diesmal sitzen die Generäle wegen Putschvorbereitung mit lebenslangen Haftstrafen im Gefängis.

    Also muß das Volk unter einem Vorwand aufgestachelt werden, um Unruhe im Land zu stiften.

    Die 15-20 Bäume die im Gezi-Park ausgegraben und an andererer Stelle wieder eingeplanzt werden sollten, war nur ein billiger

    Vorwand, um die Umsturzaktionen zu starten und mit Hilfe der einseitigen Medienpropanganda zum Hass auf Erdogan aufzurufen.

    Ich bin mir sicher, daß Erdogan bei den nächsten Wahlen seinen Stimmenanteil noch erhöhen wird, weil das Volk felsenfest

    hinter ihm steht.

  • M
    Michel_Berlin

    Warum wird eigentlich nie erwähnt, dass Erdogan zum dritten Mal wiedergewählt worden ist?

    Ganz offiziell und ganz demokratisch...

     

    Warum wird dieser Konflikt so dargestellt, als ob "das Volk" jetzt gegen einen brutalen Diktator kämpft?

     

    Ich bin sicherlich kein Freund Erdogans, aber Frankreichs Hollande hat noch viel miesere Quoten. Um nur mal eine Perspektive zu geben.

     

    Was ist mit den rund 50% der Türken, die dreimal hintereinander für ihn gestimmt haben?

     

    Und mit diesen innertürkischen Problemen zu versuchen in Deutschland Wahlkampfpunkte zu machen, das ist ja wohl unter aller Sau!

  • A
    ama.dablam

    Was für eine dämlich-durchsichtige Volte, Merkel und Erdogan in einem Satz zu nennen.

    In Istanbul hat er hoffentlich nur als Tourist ein paar Bonusmeilen verflogen. Ansonsten hat er da ebensowenig zu suchen wie weiland Sartre in Stammheim.

     

    Die Türken wählen Erdogan das nächste Mal eben nicht mehr und fertig ist die Laube. Und wenn nicht geht es uns erstmal auch nichts an.

  • ND
    nein danke

    Alphabetisierung, Geburtenkontrolle, Auflösung der ethnisch-religiösen Spannungen. Frühestens in 100 Jahren können wir vielleicht wieder über den Beitritt der Türkei sprechen. Alles andere bedeutet kulturellen Selbstmord für Europa.

  • DI
    Dummes Interview

    Erdogan würde die Grünen wählen, denn die Grünen wissen ja schließlich am Besten wie man Proteste und Widerstand institutionalisiert und somit zum Erlahmen bringt. (Stuttgart21 lässt grüßen.)

  • L
    luetzgendorff

    "Erdogan würde Merkel wählen" - billiger geht's doch wohl nicht mehr. Wie wäre es mit "Pol Pot würde Trittin wählen" oder "Ahamdinedschad würde Frau Roth wählen"?