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Österreichs Ex-Bundeskanzler KurzJetzt darf die Justiz ran

Die Aufhebung der rechtlichen Immunität von Sebastian Kurz ist auf dem Weg. Das hat der entsprechende Ausschuss einstimmig beschlossen.

Sebastian Kurz, ÖVP-Fraktionschef und Ex-Kanzler, bei einer Sondersitzung des Nationalrats Foto: Herbert Neubauer/APA/dpa

Wien taz | Sebastian Kurz wird an die Justiz ausgeliefert. Am Dienstag hat der Immunitätsausschuss des Nationalrats einstimmig beschlossen, die parlamentarische Immunität des Abgeordneten und ÖVP-Fraktionschefs aufzuheben. Die Bestätigung durch das Plenum des Nationalrats am Donnerstag ist Formsache.

Gegen den Ex-Bundeskanzler darf dann die Justiz ermitteln und ihn gegebenenfalls vor Gericht stellen. Kurz trat Anfang Oktober als Regierungschef zurück, nachdem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter anderem das Kanzleramt durchsucht hatte. Danach wechselte er als Fraktionschef der ÖVP ins Parlament. Abgeordnete genießen Immunität für Handlungen, die sie im Rahmen ihres Mandates gesetzt haben. Deshalb mussten die Ermittlungen ruhen. Die Untersuchungen der WKStA betreffen Kurzens Zeit als Außenminister – Minister sind nicht von Immunität geschützt. Kurz selbst hat um den Schritt zur Aufhebung seiner Immunität ersucht, er will seine Unschuld beweisen können.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem 35-jährigen Altkanzler Korruption und Untreue vor. Er soll in die Bezahlung manipulierter Umfragen mit Steuergeld im Jahr 2017 involviert gewesen sein. Es besteht der dringende Verdacht, dass seine Clique innerhalb der ÖVP damit den parteiinternen Putsch gegen den damaligen Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner generalstabsmäßig vorbereitet hat.

Seit seinem Auftritt als einstimmig gewählter Fraktionschef ist Kurz in der Öffentlichkeit kaum mehr präsent gewesen. Vieles deutet darauf hin, dass er ein politisches Comeback vorbereitet. Vor wenigen Tagen hat er ein Privatgutachten eines Strafrechtsdozenten präsentiert, das in den Boulevardmedien und von ÖVP-Sprechern als Persilschein für den Exkanzler gefeiert wurde.

Strafrechtler zerpflücken das Gutachten

Der Jurist Peter Lewisch sieht darin das, was die WKStA als strafwürdiges Delikt untersucht, als „sozialadäquates Verhalten außerhalb des Rahmens von Korruption“. Lewisch beging dabei den Fehler, seine Rechtsinterpretation auf dem offiziellen Briefpapier der Universität Wien zu veröffentlichen. Das hat der Rektor prompt verurteilt. Es handle sich um eine private Nebentätigkeit und kein Gutachten der Uni.

Prominente Strafrechtler zerpflücken das Papier auch inhaltlich. Fachleute bezeichnen das Lancieren gewogener Privatgutachten als „Litigation-PR“, als Versuch, ein Strafverfahren über die Medien zu beeinflussen. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) sieht das als zulässig, weist aber darauf hin, dass es im Rahmen des Rechtsstaates auch andere Arten gebe, eine Amtshandlung anzufechten.

Der Publizistik-Professor Fritz Hausjell zeigt sich in einem Tweet erstaunt, „dass niemand im Journalismus auf Basis der bisherigen Gutachten von Lewisch in litigation-pr-Verfahren die Qualität seiner Expertisen zum Thema macht.“ Lewisch habe nämlich auch für den ehemaligen EU-Abgeordneten Ernst Strasser (ÖVP) und den Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser Rechtsgutachten verfasst, in denen er die Strafbarkeit der Taten ausschloss. Beide wurden inzwischen wegen Bestechlichkeit verurteilt. Grassers erstinstanzliche Verurteilung zu acht Jahren Haft ist noch nicht rechtskräftig.

Rechtlich umstritten ist, ob die Justiz für eine Festnahme oder Hausdurchsuchung ein zusätzliches Votum des Nationalrates einholen muss. Der Überraschungseffekt für eine Hausdurchsuchung wäre damit schwerlich gegeben. Es ist aber davon auszugehen, dass Kurz, der durch peinliche bis kompromittierende Chats aus dem Handy seines Freundes Thomas Schmid belastet wird, seine Festplatten längst gesäubert hat.

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5 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    Mal wieder läuft es in Österreich besser als in D.



    Wann steht der unsägliche Andy Scheuer bei uns vor Gericht?

    • @Ria Sauter:

      Naja, dem Basti lässt sich die kriminelle Energie halt leichter nachweisen als unserem Andy.

      • @Karsten Becker:

        Ich bin auch ein wenig erstaunt, die "locker" das in Österreich geht - bei uns wurden da ja kilometerhohe Hürden und Mauern aufgestellt (vermutlich aufgrund der in allen Köpfen feststeckenden These von: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf")!



        Da kann man der Alpenrepublik bescheinigen, daß sie die Nazizeit um Welten besser verarbeitet hat, als unsere Altvorderen.

  • Im Artikel heißt es:



    „Vor wenigen Tagen hat er ein Privatgutachten eines Strafrechtsdozenten präsentiert, das in den Boulevardmedien und von ÖVP-Sprechern als Persilschein für den Exkanzler gefeiert wurde.“



    Haben die ÖVP Leute das wirklich als „Perilschein“ gefeiert? Wenn ja, sagt das viel aus, versteht man doch unter einem „Persilschein“ seit der Entnazifizierung ein Dokument, dass einer Person bescheinigt „politisch unbelastet“ zu sein, obwohl sie bis zum Hals im braunen Dreck hockte.

  • Das wird SO witzig werden in den nächsten Wochen in Österreichs Innenpolitik, inklusive der dazugehörigen Medienberichterstattung… es ist ein bisschen so wie früher, wenn man die Simpsons geguckt hat. Jeder hat seine feste Rolle, man weiß eigentlich genau wie wer wann was kommunizieren wird und TROTZDEM schaffen es die „Autoren“ immer wieder, dass man lachend vor dem Fernseher sitzt und sich fragt: „Das hat der jetzt nicht ERNSTHAFT gesagt!?!“ Man muss dafür natürlich OE24 gucken, bei seriösen Sendern stellt sich eher ein Gefühl des Bedauerns für die österreichische Bevölkerung ein… Aber wenn Wolfgang Fellner sich über die österreichische Politik äußert und dabei in einem Halbsatz seine Co-Moderatorin von der Seite anmacht und ihr nochmal sagt wie „fesch“ sie heute wieder aussieht, OHNE das irgendjemand sich traut in auf den offensichtlichen Sexismus hinzuweisen: Dann ist das besser als jede Satire…