Österreichischer Musiker Wolfgang Ambros: „Reich wird man net mit Austropop“
Der österreichische Musiker Wolfgang Ambros wird 70. Ein Gespräch über eine Reise nach Moskau, Egoismus, Siechtum, Nestroy und Künstlerpech.
taz: Herr Ambros, Sie haben eine schwarze Lebensphase hinter sich: Prostatakrebs, Wirbelsäulenoperationen. Sie gehen am Stock und Ihre Kinder wollen keinen Kontakt. Wie geht’s Ihnen?
Wolfgang Ambros: Es geht mir gut, sehr gut, schon seit längerer Zeit. Körperlich und geistig bin ich fit. Wie’s halt geht in meinem Alter mit meiner Vorgeschichte.
Während wir hier telefonieren, tobt in der Ukraine ein blutiger Angriffskrieg, der die Existenz des Landes bedroht. Kennen Sie das Land? Haben Sie jemals Auftritte in Russland oder der Ukraine gehabt?
Niemals. Halt, stimmt nicht! Ich glaub, man muss es einen Auftritt nennen, Anfang der 1970er Jahre. Ich war noch sehr jung. Marianne Mendt war dabei, Peter Cornelius und noch zwei andere. Wir sind miteinander nach Moskau geflogen mit irgendeinem Manager zu irgendeiner Festivität, bei der es um Österreich gegangen ist. Alle sind kurz einmal aufgetreten. Also ja, ich bin einmal in Moskau aufgetreten.
Das war also noch in tief sowjetischen Zeiten.
Ja, es war unglaublich. Ich bin auf der Bühne gestanden und hab gesagt: „Nie wieder Moskau.“ Ich hab mich dann verirrt und wusste nicht, wo das Hotel ist. Und kein Taxi hat mich mitgenommen, weil ich nicht erklären konnte, was ich wollte.
Also eher Sprachprobleme …
Aber schuld war das System, weil es war anders als überall, wo ich bis dahin war. Ich war ja ein halbes Jahr in England. In Moskau bin ich mit dieser U-Bahn gefahren, ohne zu wissen, wohin. Ich hab Angst gehabt. Letztens hat mich dann doch ein Taxi mitgenommen ins Hotel Druschba. Das heißt, glaub ich, Freiheit.
Freundschaft. Und die Ukraine?
Die Ukraine kenne ich nicht, aber einige Ukrainer. Ich hab viel mit Orchestern gearbeitet. Die sind ja praktisch überall, tanzen und spielen gut Instrumente, sind sehr wissbegierig. Sehr sympathische Menschen, hab ich immer gefunden.
Kontakt zu Leuten, die dort sind, haben Sie keinen?
Natürlich nicht. Ich kenne nur die, die hier sind. Das sind Künstler, und ich glaube nicht, dass sich die freiwillig in den Krieg begeben. Ich kann mir das ehrlich nicht vorstellen. Aber es kann schon sein, dass wer sich denkt, da muss ich hin, auch wenn das mein sicherer Tod ist.
Es gibt ja welche, die sich als Pazifisten verstehen und dann in der Stunde der Bedrohung der Heimat plötzlich zur Waffe greifen. Die Geschichte ist voll von Beispielen.
Das zu bewerten, trau ich mir nicht zu. Ich bin auch Pazifist und hatte nie eine Waffe in der Hand. Doch, beim Bundesheer. Geschossen hab ich vielleicht einmal. Es hat nur vier Monate gedauert. Ich wüsste nicht, was ich mit einer Waffe machen soll.
Zurück zu Ihrer Gesundheit. In Ihrem gerade erschienenen Buch beschreiben Sie Ihre Lebenskrise sehr dramatisch. Würden Sie Ruhm und Geld gegen einen gesunden Körper eintauschen wollen?
Ruhm und Geld seien dahingestellt. Ich hab von beidem nicht allzu viel. Es gibt so viele berühmtere Menschen, wie etwa die Rolling Stones. Und Geld? Reich wird man net mit Austropop. Das muss ich Ihnen a sagen. Ich bin schon sehr froh, dass wir wieder auftreten können in absehbarer Zeit. Ich könnte natürlich leben, ohne zu arbeiten, aber da müsste ich auf vieles verzichten, und das kann ich mir mit Live-Auftritten dazuverdienen. Live mit Publikum, das ist immer wieder ein Erlebnis. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Würde ich ein weniger glamouröses Leben gegen Gesundheit eintauschen? Das kann man nicht beantworten. Da ist mir die Zeit zu schade. Wenn ich was gelernt hab in meinem Leben, dann das: immer zuerst nachdenken. Hat schon meine Mutter gesagt und die war eine Lehrerin.
Künstler sind oft Egoisten, sonst hätten sie es nicht so weit gebracht. Was ist da dran?
Ich denke, viel. Was mich selbst betrifft, muss ich ehrlich zugeben, dass ich oft egoistisch gehandelt hab und mir das nicht bewusst war in der Tragweite. Das ist ja die Frage aller Fragen, die sich auch in dem Buch stellt.
Wolfgang Ambros wurde am 19. März 1952 in Wien als Sohn eines Lehrerehepaars geboren. Als Jugendlicher trieb er sich lieber in Discos als in der Schule herum und lernte den genialen Texter Joesi Prokopetz kennen. Der lieferte den Text für den Hit „Da Hofa“, der Ambros mit 19 Jahren berühmt machte. Es folgten Hits wie „Es lebe der Zentralfriedhof“, „Schifoan“, Dialektversionen von Dylan-Songs, eine steile Karriere als Austropopper und zahllose Konzerte vor allem im deutschsprachigen Raum. Seine Lebenskrise begann 2008 mit der Diagnose Prostatakrebs, bald darauf folgten schwere Operationen an der Wirbelsäule. Ambros lebt heute in einer kleinen Tiroler Gemeinde und tritt immer noch live auf.
Deswegen frage ich ja. Weil Sie doch auf Leute zurückkommen, ohne die Sie nicht der Star wären, der Sie geworden sind: ohne Joesi Prokopetz kein Hofa.
Richtig. Aber ohne mich halt a net. Man muss die Wertigkeiten dort belassen, wo sie hingehören. Es hat keinen Sinn, wenn man denkt, was wäre. Der Joesi hat mich heute schon angerufen. Ich werde ihm diese Frage auch näherbringen. Ob er sich irgendwelche Gedanken macht.
Aus Ihrem Buch „A Mensch möcht i bleib’ n“ lese ich die Lebensweisheit heraus: man muss auch die anderen leben lassen.
Na selbstverständlich. Nur daraus kann was Produktives entstehen. Alleine wäre ich machtlos. Ich brauche Menschen, die andere Aufgaben wahrnehmen, um das zu produzieren, was meinen Beruf ausmacht, nämlich gute Musik. Gute Lieder, sag ma so. Auch der Egoist ist drauf angewiesen, dass ihn andere unterstützen. Das weiß sogar der ärgste Egoist. Das weiß sogar der Rainhard Fendrich.
Mit Fendrich und Georg Danzer sind Sie zehn Jahre lang als Austria 3 aufgetreten. War das ein gleichwertiges Team oder gab es da auch Hahnenkämpfe?
Niemals, sonst hätte das nie funktioniert. Wir hatten jedes Mal ein anderes Programm. Das war eine tolle Konstellation, wie Sie sie auf der ganzen Welt nicht zusammenbringen werden. Natürlich haben’s uns die Amerikaner vorgemacht.
Mit den 3 Tenören?
Ich denk da eher an The Highwaymen (eine 1985 von den Countrymusikern Waylon Jennings, Willie Nelson, Johnny Cash und Kris Kristofferson gegründete Supergroup; d. Red.) mit vier Top-Granaten der Countrymusik. Die haben aber nicht so lange bestanden wie wir. Es war kein so tolles und konstruktives Team wie wir. Wir waren ja sogar knapp daran, ein gemeinsames Musical zu produzieren. Aber das wollte nicht sein und sollte nicht sein.
Weil der Danzer gestorben ist?
Nein, vom Buch her wäre alles fertig gewesen. Da haben wir noch nicht gewusst, dass der Georg in einem Jahr sterben wird.
Woran ist es dann gescheitert?
Am österreichischen Fernsehen. Den ORF hätten wir dazu gebraucht. Sie haben gesagt, sie wollen es, dann wollten sie ins Buch hineinreden. Dann ist die Scheiße losgegangen. Dann war es nicht mehr dasselbe und wir waren uns nicht mehr einig.
Worum sollte es gehen?
Wir wollten den „Lumpazivagabundus“ von Nestroy für uns adaptieren. Jeder von uns hätte eine der Hauptrollen gespielt. Der Zwirn wäre der Rainhard und der Leim wär ich. Georg der Knieriem. Es wär auch super lustig gewesen. Es waren auch schon Lieder fertig. Vielleicht wär dann der Georg nicht gestorben.
Alles Schnee von gestern. Ihre letzten Hits sind auch schon etwas in die Jahre gekommen. Gibt es auch Pläne für was Neues? Oder tragen Sie den „Hofa“ noch immer so vor, als würde niemand die Pointe am Ende kennen?
Er klingt anders nach der langen Weile. Der Hofa ist mit mir alt geworden, er ist jetzt auch ein alter Mann. In Wirklichkeit war er ganz was anderes. Die Wahrheit wird ans Licht kommen.
Jetzt machen Sie mich neugierig.
Ich werde Ihnen jetzt nichts verraten. Es gibt ein noch unausgegorenes Projekt, von dem wird jetzt nicht gesprochen.
Der Hofa, das Musical?
Fast.
Eine Fernsehserie?
Das ist doch alles viel zu teuer. Ich kann nur metaliterarisch aufbereiten und da gibt es ein Ideetscherl. Mehr darf ich dazu nicht sagen, sonst krieg ich von verschiedenen Seiten böse Schelte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles