Österreich nach der Europawahl: Ösis, wacht auf!
Die rechtspopulistische FPÖ räumte bei den EU-Wahlen in Österreich ab. Damit ist der Weg zu einer autokratischen Regierung im Stile Orbáns geebnet.
A m Ende kam es nicht ganz so krass wie in der ersten „Trendprognose“, die sechs Stunden lang in ORF und Co durchdekliniert wurde. Aber auch das finale EU-Wahlergebnis ist deutlich: Die rechtsradikale FPÖ landete mit 25,5 Prozent auf Platz eins. Zum ersten Mal überhaupt in einer bundesweiten Wahl. Österreich muss sich für die Nationalratswahl im Herbst warm anziehen.
Eine Niederlage ist das Ergebnis für die SPÖ (23,3 Prozent), die unter Andreas Babler eigentlich neu durchstarten wollte. Noch bitterer aber für die ÖVP (24,7 Prozent), die fast zehn Prozentpunkte verloren hat. Bei ihr zeigt sich: Der Versuch, die FPÖ rechts außen zu überholen, geht schief. Egal ob es um eine Halbierung der Asylbewerber-Taschengelder oder um geforderte Abschiebungen nach Afghanistan geht.
Die Stärke der FPÖ ist auch ein Medienversagen. Statt Antworten auf drängende Fragen einzufordern – etwa zur überfälligen Rentenreform, Schule oder Gesundheitssystem –, lässt man viel zu oft die Rechtsaußenpartei die Themen vorgeben. Oder diskutiert deren jüngste Pöbeleien statt Inhalte.
Die Stärke der FPÖ ist aber auch eine Schwäche der anderen Parteien. Wofür die SPÖ steht, etwa bei Klimaschutz und Zuwanderung, weiß heute keiner so genau. Die ÖVP hat verabsäumt, einen klaren Strich unter die Kurz-Jahre zu ziehen und verrennt sich in Antimigrationsrhetorik.
Die Grünen haben in der „Affäre Schilling“ – der Spitzenkandidatin Lena Schilling wurden Lügen vorgeworfen – bewiesen, dass auch sie längst Altpartei sind. Statt die Vorwürfe aufzuklären, mauerten sie. Auch die Bilanz der schwarz-grünen Bundesregierung ist durchwachsen. Bis heute fließt russisches Gas nach Österreich. Bis heute gibt es keine Debatte über die heilige Kuh Neutralität. Und bis heute fehlen Antworten auf wichtige Fragen.
Zudem übersieht und ignoriert die Regierung, dass sich viele das immer teurere Leben nicht mehr leisten können. Dank erst fehlender, dann falscher Maßnahmen war die Inflation nirgends in Westeuropa so hoch wie in Österreich. Auch das treibt die Wähler zur FPÖ. Am Ende fehlt es den früheren Großparteien vor allem an einer Zukunftsvision. Außer den Freiheitlichen, die sehr klar machen, wohin die Reise mit ihnen geht: Richtung Ungarn und der dortigen autokratischen Orbán-Regierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind