Ölmulti übernimmt Teilschuld: Shell zahlt für Ölpest in Nigeria

Keine Fische, kein Trinkwasser. Jahrzehntelang hat Shell die Umwelt im Nigerdelta versaut. Jetzt übernimmt der Konzern erstmals Verantwortung - zumindest ein bisschen.

Grobe Umweltverschmutzung durch abfackeln von Gas im Nigerdelta. Bild: imago/Friedrich Stark

LAGOS taz | Kaum geht über dem Nigerdelta die Sonne auf, glitzert das Wasser in unzähligen Farben. Ölschlieren ziehen sich durch die vielen Flussarme, Uferränder sind schwarz von der schwarzen Pest. Seit vierzig Jahren ist das so, viele Menschen kennen es nicht anders. Peter Lawal ist einer der wenigen, der sich noch an die Zeiten vor der Ölförderung erinnern kann. "Damals konnten wir noch fischen gehen. Aber wer will heute schon den verseuchten Fisch essen?", fragt der Chef von Jones Creek, einem kleinen Dorf rund eine Stunde von der Ölstadt Warri. Es fehlt nicht nur Fisch, sondern auch frisches Trinkwasser, vor allem aber eine Zukunft für die Menschen, die in den ölverseuchten Gebieten Nigerias leben müssen.

Zwei Nachrichten geben jetzt Anlass zu Hoffnung: eine neue große Studie der Vereinten Nationen zur Umweltsituation im Siedlungsgebiet des Ogoni-Volkes im Ölgebiet sowie die Tatsache, dass der Ölmulti Shell die Verantwortung für ausgetretenes Öl in den Jahren 2008 und 2009 rund um die Gemeinde Bodo gut 50 Kilometer südöstlich der Ölmetropole Port Harcourt übernommen hat. An einen Zufall glaubt niemand, denn die für diese Vorfälle verantwortliche Shell Petroleum Development Company of Nigeria (SPDC) wird auch in der Studie des UN-Umweltprogramms Unep explizit erwähnt und kritisiert.

Shells Schuldgeständnis gilt als Erfolg für die Menschen im Delta. Es war das erste Mal, dass ein solcher Fall, der die dramatischen Folgen der Ölförderung in Nigeria zum Ausdruck bringt, vor dem Obersten Gerichtshof in London verhandelt wurde. Laut der Londoner Anwaltskanzlei Leigh Day & Co sickerten rund um Bodo im Herbst 2008 über viele Wochen lang jeden Tag 2.000 Barrel Öl in die Erde. Eine Katastrophe, sagte Rechtsanwalt Martyn Day, der die rund 69.000 betroffenen Einwohner vor Gericht vertreten hat: "Es ist eine der größten Ölkatastrophen, die die Welt je gesehen hat." Mit der Anerkennung der Verantwortung können auf Shell nun Schadensersatzforderungen von gut 288 Millionen Euro zukommen.

In Nigeria selbst zeigt sich der Ölkonzern jedoch widerborstig. In einem eilig verfassten offenen Brief bedauert SPDC-Direktor Mutiu Sunmonu die Vorfälle in Bodo zwar, macht aber ganz deutlich: Hauptschuldige seien meiste die Bewohner selbst. "Sie versuchen, die Pipelines illegal anzuzapfen oder uns zu sabotieren." Auch die Zahlen seien maßlos übertrieben. Shell rechnete damals mit einem Austritt von insgesamt 4.000 Barrel.

Schulen und Infrastruktur

Was in Europa wie Hohn und Spott klingt, reicht in Nigeria außerhalb des Nigerdeltas nicht einmal für ein Schulterzucken. "Ihr im Norden liebt es, immer nur die Ölkonzerne verantwortlich zu machen", kommentiert ein Journalist in der Hauptstadt Abuja. Doch "die Multis tun eine ganze Menge. Sie bauen Schulen und investieren in die Infrastruktur. Davon will in Europa niemand etwas wissen."

Wohl auch deshalb ist der in Europa lang ersehnte Unep-Bericht zur Umweltverschmutzung in Ogoniland auf ein eher verhaltenes Echo gestoßen. Am Donnerstagnachmittag präsentierten UN-Mitarbeiter die Ergebnisse im Beisein von Präsident Goodluck Jonathan. Die Hauptaussage: Es wird etwa 30 Jahre dauern, bis die Umwelt in Ogoniland östlich von Port Harcourt einigermaßen wieder hergestellt sein wird - und das, obwohl schon seit mehr als einem Jahrzehnt dort kein Öl mehr gefördert wird. Unter anderem empfiehlt die UN, einen Fonds mit einem Startkapital von einer Milliarde US-Dollar einzurichten, getragen von Nigerias Regierung und den Ölkonzernen, um die Säuberung innerhalb der ersten fünf Jahre zu finanzieren.

Was sich nach viel Geld und wenigstens ein bisschen Wiedergutmachung - falls es überhaupt so weit kommt - anhört, ist nigerianischen Umweltaktivisten indes viel zu wenig. "Für uns sind die Ergebnisse nicht gerade neu", sagt etwa Nnimmo Bassey, Träger des Alternativen Nobelpreises 2010 und Direktor der Organisation Environmental Rights Action (ERA). Er und seine Mitstreiter fordern das Hundertfache. Hundert Milliarden Dollar für Nigerias verseuchte Umwelt und für ein wenig Gerechtigkeit.

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