Ökostromer und Kohlekraft: Unsaubere alternative Energie
Indirekt sind deutsche Ökostromanbieter in den Bau eines türkischen Braunkohlekraftwerks verwickelt. Das soll nun ein Ende haben – trotz langfristiger Verträge.
FREIBURG taz | Die drei Ökostromanbieter Naturstrom, Greenpeace Energy und Lichtblick haben in einem gemeinsamen Schreiben die österreichische Verbund AG aufgefordert, aus dem Bau des Braunkohlekraftwerks Tufanbeyli in der Türkei auszusteigen. Denn über eine 50-prozentige Beteiligung am türkischen Energieversorger EnerjiSA ist der größte österreichische Stromkonzern an dem 450-Megawatt-Kraftwerk beteiligt, außerdem an einer Kohlemine. Dies hatten Recherchen der taz ergeben.
Da die deutschen Unternehmen beim Verbund-Konzern einen Teil ihres Stroms einkaufen, sehen sie nun ihre ökologische Glaubwürdigkeit gefährdet. Das Projekt sei „energiepolitisch rückwärtsgewandt und unter Klima- und Umweltschutzaspekten nicht tragbar“, heißt es in dem Schreiben.
Sollte die Verbund AG an dem Projekt festhalten, sei auch die „Integrität und Glaubwürdigkeit“ der Österreicher gefährdet. Die Ökostromer verweisen darauf, dass sie sich gegenüber ihren Kunden, Aktionären, Genossenschaftsmitgliedern zu einer „sorgfältigen Auswahl der Lieferanten“ verpflichtet sähen.
Doch was passiert, wenn die Österreicher an ihrer Beteiligung festhalten und die Tochterfirma das Kraftwerk wie geplant 2015 ans Netz bringt? „Wir haben Rahmenverträge bis 2016“, sagt Henrik Düker, Sprecher von Greenpeace Energy, „da kommen wir nicht so einfach raus.“ Man müsse sich aber dann nach anderen Geschäftspartnern umschauen, falls die Verbund AG sich nicht von ihren Kohleprojekten verabschiede.
Langfristige Lieferverträge
Auch Naturstrom erklärte, es würden „generell in der Energiewirtschaft die Lieferverträge oft für mehrere Jahre geschlossen“. So habe Naturstrom den Einkauf bei der Verbund AG unterzeichnet, als das Projekt Tufanbeyli noch nicht bekannt war. Wenn die aktuelle Intervention keinen Erfolg habe, werde man sich „im Markt umsehen, ob es gangbare Alternativen gibt, sagt Naturstrom-Sprecher Tim Loppe.
Auf die Verträge verweist auch Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth. Man nehme das Thema sehr ernst, habe aber noch nicht entschieden, wie man fortfahre, sagt Kampwirth. Tatsächlich werde der glaubwürdige Handel mit Ökostrom durch den immer stärker verflochtenen Energiemarkt fortwährend schwieriger. Oft sei kaum noch zu erkennen, ob ein Vertragspartner mitsamt allen seinen Beteiligungen und Mutterfirmen tatsächlich frei von Kohleprojekten ist: „Man wird sich irgendwann fragen müssen, ob dieser Schwarz-Weiß-Markt noch funktioniert.“ Schließlich dürfe Ökostrom kein Nischenprodukt bleiben. Kampwirth: „Unser Ziel ist ein ökologischer Massenmarkt.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg