Ökosteuer à la Schwarz-Gelb: Den Rauchern wirds genommen
Wie von der Industrie gewünscht, fällt die Ökosteuer geringer aus als ursprünglich geplant. Dafür werden Zigaretten teurer.
Wer raucht, hilft künftig der deutschen Wirtschaft. Denn die schwarz-gelbe Bundesregierung verständigte sich am Sonntagabend darauf, dass die Erhöhung der Ökosteuer weniger stark ausfallen wird, als man ursprünglich geplant hatte. Von den angestrebten 1,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen zugunsten des Bundes bleiben nun ab 2012 noch knapp eine Milliarde Euro übrig. Ausgeglichen werden soll das Finanzloch in den Planungen unter anderem durch eine höhere Tabaksteuer.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte es am Montag so: "Viele Unternehmen werden mehr Ökosteuer zahlen, aber weniger als geplant." Entsprechend zufrieden waren die Wirtschaftsverbände. "Die Entscheidung der Regierung folgt der wirtschaftlichen Vernunft", kommentierte Utz Tillmann, Geschäftsführer des Verbands Chemische Industrie. Unter anderem sein Verband hatte argumentiert, durch die geplante höhere Ökosteuer auf Strom seien potenziell 870.000 Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet. Dieser These schloss sich die Regierung an.
Im Einzelnen will die Regierung nun den sogenannten Sockelbetrag der Ökosteuer von heute 512,50 Euro pro Jahr auf 1.000 Euro anheben. Das bedeutet, dass die Firmen diesen Betrag in jedem Fall bezahlen müssen, ohne Ermäßigungen geltend machen zu können. Der Bund nimmt so mehr Geld ein. Ins Rennen gegangen war das Bundesfinanzministerium freilich mit einem Sockelbetrag von 20.000 Euro, was viel höhere Zusatzeinnahmen gebracht hätte. Im Laufe der Verhandlungen blieb Schritt für Schritt weniger übrig.
Ähnlich sieht es bei den Steuersätzen für das produzierende Gewerbe aus. Diese müssen bisher grundsätzlich nur 60 Prozent der Ökosteuer zahlen, damit sie nicht zu stark belastet werden. Am Sonntag hat die Koalition nun verabredet, dass der Satz auf 75 Prozent steigen soll. Das Finanzministerium hatte dagegen 80 Prozent vorgeschlagen.
Dasselbe Muster gilt für den dritten Punkt des Ökosteuer-Kompromisses. Auf Antrag brauchen produzierende Unternehmen heute nur fünf Prozent der Ökosteuer zu zahlen, die ihre Einsparung durch geringere Beiträge für die Rentenversicherung übersteigt. Dieser Zusammenhang steht im Gesetz, weil der Bund den größten Teil seiner Ökosteuer-Einnahmen an die Rentenkasse überweist und damit auch die Beiträge für Arbeitgeber senkt. Künftig sollen die Firmen zehn Prozent der eigentlich fälligen Steuer zahlen. Die Mitarbeiter von Finanzminister Wolfgang Schäuble wollten ursprünglich 27 Prozent. Auch hier haben Verbände, FDP und Wirtschaftspolitiker der Union die Zusatzbelastung also herunterverhandelt.
Die Opposition aus SPD, Linken und Grünen kritisierte die Einigung scharf. Barbara Höll von der Linkspartei warf der Regierung vor, die "Lobbyinteressen der Konzerne" zu bedienen. "Die Stromfresser in der Industrie werden weiter geschont, während Wohngeldempfängern der Heizkostenzuschuss und Hartz-IV-Beziehenden das Elterngeld gestrichen wird", monierte Höll weiter. Der grüne Haushaltspolitiker Alexander Bonde erklärte: "Die schwarz-gelbe Bundesregierung macht den nächsten Kniefall vor der Lobby."
In der Tat ist dies ein weiterer Erfolg der Industrievertreter in den vergangenen Monaten. Schon bei der geplanten Brennelementesteuer für Atomkraftwerke konnte die Bundesregierung ihre ursprünglichen Vorgaben nicht halten. Im ersten Gesetzesentwurf war noch ein Steuersatz von 220 Euro pro Gramm Plutonium oder Uran vorgesehen. Dieser wurde auf 145 Euro pro Gramm reduziert. So dürften aber nach Berechnungen der Grünen nicht 2,3 Milliarden Euro in die Staatskasse fließen, sondern nur noch 1,5 Milliarden Euro. Auch bei der Gesundheitsreform hatte die Pharmalobby kurz vor dem Ende der Verhandlungen noch deutliche Verbesserungen für ihre Unternehmen durchgesetzt.
Das Argument der Wirtschaft in fast allen Fällen: Die Arbeitsplätze sind bedroht. Das Forum Ökologische Sozialwirtschaft hält aber dagegen. "Gerade diejenigen Unternehmen, die den höchsten Energieverbrauch haben, sind bisher von der Ökosteuer weitgehend befreit", sagte Anselm Görres, der Vorsitzender der Vereinigung. Viele der rund 120.000 begünstigten Unternehmen, zum Beispiel die Zementindustrie, sei gar nicht dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Für diese Betriebe sei es deshalb nicht bedrohlich, die Ökosteuer nennenswert zu erhöhen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers