Ökosiegel für Klimakiller: Dicke Schlitten begünstigt
Auch Autos mit hohem Kohlendioxidausstoß sollen als besonders "energieeffizient" gekennzeichnet werden.
BERLIN taz Autos mit hohen Abgaswerten sollen künftig als besonders ökologisch eingestuft werden. Das ist der Inhalt eines Verordnungsentwurfs aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Die Mitarbeiter von Minister Michael Glos (CSU) haben ausgearbeitet, wie Fahrzeuge gekennzeichnet werden sollen, um Autokäufern eine umweltfreundliche Entscheidung zu erleichtern. "Die Verbraucher würden desinformiert statt informiert", kritisiert der Umweltverband BUND.
Das Bundeskabinett will den Entwurf am nächsten Mittwoch im Rahmen eines umfassenden Paketes zum Klimaschutz beschließen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat seinen Segen gegeben.
Nach Berechnungen des BUND würde ein Mercedes CDI 2.0, der 149 Gramm Kohlendioxid verursacht, in die zweitbeste "Energieeffizienzklasse" eingestuft. Ein sparsamer und umweltfreundlicherer Daihatsu Cuore würde dagegen in die drittbeste Klasse einsortiert, obwohl er nur 104 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt.
Insgesamt soll es sieben Klassen geben (A bis G). Die Einstufung ist der Kennzeichnung nachempfunden, die heute schon für Elektrogeräte gilt. "Die Formel für die Berechnung stammt vom Bundesumweltministerium", hieß es gestern in Regierungskreisen. Von dort war kein Kommentar zu erhalten. Der Trick der Klassifizierung besteht darin, dass nicht nur der CO2-Ausstoß, sondern auch das Gewicht der Fahrzeuge zur Basis gemacht werden. Ein drei Tonnen schwerer Geländewagen würde in die umweltfreundlichste Klasse eingestuft, obwohl er 240 Gramm CO2 pro Kilometer verursacht. Der Zielwert der Europäischen Union für die maximale Klimabelastung liegt dagegen bei 130 Gramm pro Kilometer.
"Durch die Differenzierung nach Gewicht wird das Ziel einer konsequenten Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei Neuwagen konterkariert", kritisiert BUND-Experte Werner Reh, "der Vorschlag ist industriepolitisch motiviert."
Die große Koalition handelt mit dieser Art der Kennzeichnung im Interesse der Autohersteller. Die deutschen Firmen Daimler, BMW, VW, Audi und Porsche stellen im Vergleich zu anderen europäischen Produzenten mehrheitlich große und leistungsstarke Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß her. Die Unternehmen haben nun das Problem, ihre Flotte der neuen Anforderung des Klimaschutzes anzupassen. Der Verband der Automobilindustrie (VdA) wehrt sich deshalb gegen eine zu strenge Kennzeichnung, die die deutschen Firmen unter Druck setzen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trump erneut gewählt
Why though?
Harris-Niederlage bei den US-Wahlen
Die Lady muss warten
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?
Pistorius stellt neuen Wehrdienst vor
Der Bellizismus kommt auf leisen Sohlen
Abtreibungsrecht in den USA
7 von 10 stimmen „Pro-Choice“
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut