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Ökos machen Druck

Zum Beispiel Hannover: Die Stadt will Äcker bevorzugt an Biobauern verpachten. Das schürt Ängste bei konventionell Landwirtschaftenden

Ja, Dirk Gericke spritzt seine Feldfrüchte auch mit Glyphosat – „aber das ist ein Reizwort, das die Medien aufbauschen“

Von Andrea Maestro

An seinen Rändern franst Hannover aus: Ein gutes Stück weg vom Anzeiger-Hochhaus und dem Landtag besitzt die Stadt eigene Äcker, Hafer, Raps und Weizen standen hier noch vor Kurzem. Nun sind die Felder stoppelig, die Halme abrasiert – und Landwirt Dirk Gericke fühlt sich erpresst. 50 Hektar Acker hat der 53-Jährige von der Stadt gepachtet. Die Verträge, die er schon von seinem Schwiegervater übernahm, will er gerade an seinen eigenen Sohn weiter geben. 40 Jahre sei seine Familie nun schon Pächter bei der Stadt, schätzt er. Doch nun hat Gericke Angst – davor, dass er die Fläche verlieren könnte, die ein Viertel seiner Betriebsfläche ausmacht.

Die Stadt hat im vergangenen Jahr ein Agrikulturprogramm aufgelegt. Das Ampelbündnis im Rat beschloss, dass städtische Pachtflächen bevorzugt an Ökolandwirte gehen müssen, wenn Verträge auslaufen. Konventionelle Betriebe will man bei der Umstellung auf den Bio-Anbau unterstützen.

Gericke ist ein Landwirt, der mit Nachbarn gern mal eine Fahrradtour um seine Felder macht, um ihnen näherzubringen, wie so ein Betrieb funktioniert – ein konventioneller Betrieb. Ökolandbau, sagt er, entspreche nicht seiner Einstellung. Zudem eigne sich der tonhaltige Boden nicht dafür. Ja, Gericke spritzt seine Feldfrüchte auch mit Glyphosat – „aber das ist ein Reizwort, das die Medien stark aufbauschen“. Davon, dass die Stadt nun den Ökolandbau in der Region fördern will, hält er nichts. Die Erbsen und Bohnen des Ökolandwirts in der Nähe seien alle von Insekten aufgefressen worden, sagt er. „Da gab es nichts mehr zum Ernten.“ Dass die Stadt dennoch fordert, dass er umstellt, empfindet Gericke als großen Druck. Nehme man ihm die gepachtete Fläche, „ist die Existenz des Betriebes gefährdet“.

Die Stadt arbeitet an einem Konzept, um Pächter wie Gericke zum Umdenken zu bewegen. „Erste Landwirte haben ihr Interesse signalisiert“, sagt Sprecher Dennis Dix. Insgesamt gehören der Stadt 890 Hektar Land; 400 Hektar davon sind Grünland, der Rest Äcker. Unter rund 50 Pächtern sind bisher zwei Ökobauern. Ein dritter werde demnächst dazukommen, sagt Dix.

Pat Drenske von der Grünen-Ratsfraktion will, dass städtische Flächen als öffentliches Gut auch der Öffentlichkeit dienen. „Die Konsumenten bekommen gesünderes Essen und die Menschen in der Stadt Hannover werden mit weniger Pestiziden belastet.“ Finanziell fördern wolle er die konventionellen Landwirte bei der Umstellung nicht – „das ist nicht unsere Aufgabe“. Es gebe bereits entsprechende Programme von Bund und Land, so Drenske. „Wir geben nur einen zusätzlichen Anstoß.“

Dem Umweltverband BUND geht das nicht schnell genug: Mehr als ein Jahr nach dem Beschluss lasse es die Stadt zu, dass auf ihren Grundstücken Insektenvernichtungsmittel und andere Pestizide gespritzt würden, sagt Georg Wilhelm vom BUND. „Das ist kein verantwortungsvoller Umgang mit öffentlichem Eigentum.“ Es dränge sich der Eindruck auf, die Verwaltung wolle den Ratsbeschluss aussitzen.

Ein wenig hoffen darauf wohl die Bauern: Gabi von der Brelie, Sprecherin des Bauernverbands Landvolk, beurteilt den Ratsbeschluss jedenfalls skeptisch: „Das ist ein Stück Bevormundung vom Verpächter.“ Die Regelung sei ein Eingriff in die Bewirtschaftungsfreiheit der Landwirte. Schließlich stelle man nicht nur einzelne Flächen auf Bio um, sondern den ganzen Hof. „Da ist es unklar, ob sich das beim gleichen Preis noch rechnet.“ Die Stadt müsse bei der Pacht auf die Landwirte zugehen. Zudem müsse sie überhaupt erst Ökobauern finden, die die Flächen haben wollten.

Interessenten gebe es, heißt es aus der Verwaltung. Das Ziel ist klar: „Die Wende zu mehr Ökolandbau in der Stadt realisieren.“

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