piwik no script img

Ökonom über Signa-Insolvenz„Wird richtig eng für Kaufhäuser“

Bei der Gruppe des Immobilienunternehmers Benko haben die Kontrolleure versagt, meint Ökonom Leonhard Dobusch. Einzige Chance sei nun Transparenz.

Für Galeria Karstadt wird es eng Foto: Frank Hoermann/Sven Simoan/imago
Interview von Florian Bayer

taz: Herr Dobusch, überrascht Sie die Krise der Signa-Gruppe?

Leonhard Dobusch: Ehrlich gesagt: Nein. Schon 2020 habe ich mir die Bilanz der Signa-Holding angesehen – und die war negativ. Damals wurden aber noch üppige Dividenden ausgeschüttet. Das war noch vor der Zinswende. Es war klar: Bei steigenden Zinsen oder einer Rezession wird es schwierig.

Jana Kay
Im Interview: Leonhard Dobusch

ist Ökonom an der Universität Innsbruck und am gewerkschaftsnahen Momentum Institut in Wien. Einer seiner Schwerpunkte ist die sogenannte Finanzialisierung in der Immobilienbranche. Mit dem Signa-Konzern beschäftigt er sich bereits seit Jahren.

Eingetreten ist zuletzt beides.

Es war immer nur eine Frage der Zeit. Äußere Entwicklungen sind nicht alles. Signa hat hochriskant kalkuliert und Transparenz vermieden. Bilanzen wurden nicht gelegt, Strafzahlungen dafür in Kauf genommen. Das ist hochgradig fragwürdig. Bereits aus der Bilanz der Signa Prime Holding 2019 geht hervor, dass mit extrem niedrigen Kapitalisierungs- und Diskontierungszinssätzen kalkuliert wurde. Im Immobilienbereich sind Zinsen einer der wichtigsten Kostenfaktoren überhaupt. Wenn eine Bilanz nach Zinsen negativ ist, ist das ein Alarmsignal. Die Investoren haben das aber definitiv gesehen. Sie wussten, dass sie in ein risikoreiches Geschäft einsteigen und bei steigenden Zinsen schwer unter Druck geraten werden, nahmen das aber in Kauf. Man hätte viel früher den radikalen Wachstumspfad verlassen und stattdessen auf Konsolidierung setzen müssen. Jetzt ist es für viele Dinge zu spät.

Die Geschäfte sollen in Eigenverwaltung fortgeführt werden. Was sind die Herausforderungen bei der Sanierung?

Voraussetzung für jede Fortführung ist, dass die Gläubiger auf etwas verzichten, gleichzeitig die Anteilsinhaber etwas nachschießen. Das wird schwierig. Manche sind ja auf Holding-Ebene, andere hingegen nur bei Tochterfirmen oder auch nur auf Projektebene investiert. Die werden sich fragen: Warum soll ich der Holding aushelfen? Es gibt große Interessenkonflikte innerhalb und zwischen diesen Gruppen.

Wo haben denn die Kontrollinstanzen versagt?

Einerseits natürlich innerhalb der Signa: Man muss die Aufsichtsräte fragen, warum sie da mitgespielt haben. Teilweise saßen nur zwei Personen in den Sitzungen, auch das muss hinterfragt werden. Zweitens die Bankenaufsicht. Warum Raiffeisen International und UniCredit (die gemeinsam mehr als 2,2 Milliarden Euro an Signa vergeben haben – die Red.) noch bis vor etwa zwei Jahren Geld zugeschossen haben. Damals war schon klar, dass der Cashflow nicht für die Tilgung reicht. Die Banken hätten hier vorsichtiger sein müssen. Immerhin hat die EZB im Sommer 2023 nachgefragt, das muss man zuerkennen. Drittens: die Finanzmarktaufsicht. Unternehmen sind verpflichtet, Bilanzen zu legen. Die Frage ist, warum man nicht früher hingesehen hat, was die Umgehung von Transparenzregeln betrifft.

Ist da der Immobilienbereich besonders betroffen?

Der Immobilienmarkt ist besonders anfällig für Spekulation, weil die Laufzeiten so lang sind. Weil langfristig gebundenes Kapital teilweise umgewandelt wird in kurzfristige Verbindlichkeiten. Und das führt zu sehr spekulativen Investments. Weil die Zyklen so lang sind, kann das sehr lang gut gehen. Liquiditätskrisen tendieren jedoch dazu, sich selbst zu verstärken. Niemand ist mehr bereit, im Voraus etwas zu leisten. Und wenn sie so akut ist, bekomme ich nichts mehr verkauft. Selbst wer glaubt, jetzt ein Schnäppchen machen zu können, muss Angst haben, dass der Verkauf bei einer Insolvenz angefochten wird. Eine enorme Rechtsunsicherheit. Der Insolvenzantrag ist insofern vielleicht doch eine kleine Chance, wieder handlungsfähig zu werden.

Die erste Signa-Insolvenz Ende November betraf die Signa Real EstateManagement in Deutschland.

Das war sehr überraschend. Sie ist vergleichsweise klein, aber für die Gruppe sehr zentral und wichtig. Dort werden Menschen beschäftigt und Immobilien verwaltet. Bei einer wirklich geordneten Abwicklung hätte man die nicht als Erstes in die Insolvenz geschickt. Man hätte vieles wahrscheinlich schon früher vorbereiten müssen.

Wie geht’s jetzt weiter?

Die Abwicklung wird sehr schwierig. Man muss die unterschiedlichen Akteure zusammenbringen. Es wird wirklich darum gehen, ob jene Transparenz hergestellt werden kann, die vorher gefehlt hat. Wenn das gelingt, gibt es vielleicht eine Chance. Wenn nicht, dann wird es schwierig. Spannend wird auch, ob nun nach der Holding auch die Signa Development und die Luxusimmobiliensparte Signa Prime in die Insolvenz folgen.

Sehen Sie auch systemische Risiken?

Signa wird wohl bestimmte Rechnungen nicht mehr zahlen können, das kann durchaus andere Unternehmen mitreißen. Es kann sein, dass Banken jetzt übervorsichtig werden und bei anderen noch genauer hinsehen. Große systemische Risiken sehe ich aber vorerst nicht.

Was bedeutet das für Deutschland, vor allem die Galeria Kaufhof Karstadt?

Für die Kaufhäuser wird es richtig eng. Vielleicht gibt es noch Lösungen, die jetzt noch nicht erkennbar sind. Etwa eine Ausgliederung von Teilen der Warenhäuser in eine eigene Gesellschaft, die dann in Konkurs geschickt wird – und zwar wegen der derzeit nicht leistbaren Signa-Mieten, von denen das Handelsblatt berichtete. Die Folgen werden uns jedenfalls noch sehr lang beschäftigen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "Die Banken hätten hier vorsichtiger sein müssen."

    Es sind ja nicht "die Banken"; es sind Menschen, die für Banken arbeiten - meist auf der Chefetage - und in diesem Rahmen eine extrem spezifische Psychopathologie ausleben und perpetuieren:

    It's the Habgier, stupid. (Entschuldigung an Herrn Dobusch; was er hier insgesamt sagt, ist ganz und gar nicht stupid.)

    Solange der Wahn des "Greed IS GOOD" nicht beseitigt ist, werden "die Banken" wieder und wieder solche Fehlentscheidungen treffen. Weil es im Kopf der Entscheidungsträger bei "den Banken" einfach nur "logisch" ist, Geld in jedwede Blenderei zu stecken, die nur vollmundig genug und die Klaviatur der Psychotricks von Marketing und Werbung überzeugend genug rauf- und runterspielend große Profite vollmundig in Aussicht stellt.

    Die Geldökonomie hat sich seit den 1980ern von der Sachökonomie komplett entkoppelt. Bzw "komplett", denn kein Geld=Kredit der Welt kann auf Dauer existieren, wenn es nicht durch "Realwerte" gegengewichtet ist. Man ist immerhin so weit gekommen, dass diese "Realwerte" breit gefasst sind, und nicht mehr nur auf 1-2 Dinge (Gold und Silber) beschränkt. Aber die Rolle von Edelmetallen hat in der heutigen Weltwirtschaft das Geld selbst übernommen, denn das ist, was Habgier macht, wenn man ihr das eine Spielzeug wegnimmt: sie stiehlt sich ein neues. Außer, man hindert sie daran.

    Ein einfacher Weg wäre eine verbindliche psychologische Evaluation als Voraussetzung für eine "höhere" Geschäftsmündigkeit (also jede Form von aktivem wirtschaftlichem Handeln, bei dem man seine Privathaftung abwälzen kann).



    So wie auch kein Mensch ohne die notwendige "charakterliche Eignung" einen Führerschein machen oder eine Waffe erwerben darf; so wie ein Kind ohne für die 1. Grundschulklasse ausreichende Sprachkompetenz vom Kindergarten zunächst in die Vorschule geschickt wird. Aber jeder Erwachsene gilt erst mal als grundsätzlich geeignet, einen Konzern mit Milliardenumsätzen zu führen; wie absurd ist das denn?

  • Das Schicksal der Warenhäuser Karstadt und Galeria hing doch bereits seit vielen Jahren am seidenen Faden und war seit der ersten Insolvenz vom Wohl der Immobilien abhängig.