■ Ökolumne: Klima für Jobs Von Kai Schlegelmilch
Jede Politikerin und jeder Politiker will Arbeitsplätze schaffen. Denn Jobs sind erste Priorität für das Volk. Umwelt- und Klimaschutz sind dagegen nach den jüngsten Umfragen weit abgeschlagen auf der Prioritätenliste.
Vor einigen Jahren war das noch ganz anders. Da stand die Sorge um die Umwelt an Nr. 1 oder 2 bei der Frage nach den wichtigsten Themen der Deutschen. Mittlerweile, so scheint es, verlernen Volk und Politiker, was in den 80er und frühen 90er Jahren schon einmal Konsens zu sein schien: Umweltschutz schafft Arbeitsplätze! Gerade Arbeitsplätze und Klimaschutz müssen keine Gegensätze sein. Die Frage, ob Umweltschutz ein Jobkiller oder Jobknüller ist, war zugunsten des Knüllers bereits entschieden.
Vergessen und vorbei: Heute werden wieder als erstes die Umweltbudgets in den öffentlichen Haushalten zusammengestrichen. Energieberater sind zu teuer, Straßenbauprojekte gehen vor. Zur Begründung heißt es, Umwelt- und Klimaschutz seien nur etwas für gute Zeiten.
Wider besseres Wissen: Vor wenigen Monaten hat Bundesumweltministerin Angela Merkel eine neue Studie vorgestellt, in der vorgerechnet wird, daß in den vergangenen Jahren fast eine Million Arbeitsplätze durch neue Umweltschutztechnologien entstanden sind. Selbst Kanzler Kohl hat beim trauten Tête-à-tête mit Prinz Bernhard der Niederlande erklärt: „Umweltschutz schafft und sichert Arbeitsplätze. Und dieser Markt wächst weiter.“
Der Kanzler predigt öffentlich das eine und tut das andere. Helmut Kohl hat auf dem letzten Bundesparteitag der CDU zwar vor dem Hintergrund einer idyllischen Erdkugel geredet – zur Förderung von Umwelt- und Klimaschutztechnologien hatte der Regierungschef aber nichts Rechtes zu sagen. Daß höhere Energiepreise einen Innovationsschub bringen würden, hat er seine Regierung erklären lassen. Doch beim Stichwort Steuerreform spielt das Ökologische für ihn keine Rolle. Im Gegenteil, die Politik hat einen klaren Kurs in Richtung niedrigere Energiepreise aufgenommen. Schon Anfang 1996 sanken die Strompreise um durchschnittlich acht Prozent, weil der Kohlepfennig abgeschafft werden mußte. Die Deregulierung der Energiemärkte verheißt den großen Industriekunden weitere Preissenkungen. Dafür hat das Lobbying der großen Industrieverbände gesorgt. Sie haben sich beim Kanzler durchgesetzt.
Dies alles zu Lasten der Erwerbslosen. Denn eine Klimapolitik, die auf kontinuierlich steigende Energiepreise setzt, könnte Hunderttausende Arbeitsplätze bringen. Natürlich ist sie kein Allheilmittel. Doch der Klimaschutz kann einen Teil zur Lösung dieses drängenden Problems beitragen. Denn mit einer clever gemachten ökologischen Steuerreform würden die Energiepreise zwar steigen, aber gleichzeitig könnten die Lohnnebenkosten sinken. Energie zu verschwenden würde teurer, einen Arbeitslosen einzustellen billiger. Zwar werden einige wenige Jobs bei Energie- und Mineralölkonzernen wegfallen. Arbeitsintensive Betriebe würden profitieren, etwa das Baugewerbe, Maschinenbau, Elektrotechnik und das Handwerk.
In Folgen müßten Wärmedämmung, Solar- und Windkraftanlagen in Haushalten, Städten und Firmen installiert werden. Das schafft lauter neue Jobs: Architekten und Ingenieure, Verfahrenstechniker, Energieberater, Installateure und Bauhandwerker wären in Zukunft gefragt.
Beim genaueren Hinsehen haben die ökologischeren Jobs noch einen weiteren Vorzug. Viele dieser zukunftsfähigen Arbeitsplätze sind nicht nur umweltverträglicher, sondern auch deutlich billiger als andere. Die Einrichtung einer Stelle bei einem Hersteller von Pflanzenchemie kostet heute zwischen 100.000 und 180.000 Mark. Ein Arbeitsplatz bei einem neuen mit Braunkohle betriebenen Kraftwerk in der Lausitz mitunter sogar zwei Millionen Mark.
Gerade die teuren Kraftwerksjobs sind reine Geldverschwendung. Schon heute ist es viel billiger, durch effektive Energienutzung einfach ein Kraftwerk einzusparen, als ein neues zu bauen. Außerdem macht das Einsparen von Energie einfach mehr Sinn. Und niemand arbeitet besser als derjenige, der vom Sinn seiner Arbeit überzeugt ist.
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