Ökolumne: Stetigkeit geht vor Höhe
■ Rot-Grün sollte seine Ökosteuer auf zehn Jahre anlegen statt auf drei
Fünfzig Jahre, sagte Hans Christoph Binswanger einmal, könnte es dauern, bis sein Vorschlag einer Ökologischen Steuerreform (ÖSR) umgesetzt werde. Die Rentenversicherung zu sanieren und gleichzeitig den umweltgefährdenden Verbrauch fossiler Energieträger einzudämmen, dafür, so Binswanger 1983, sollte das eine verbilligt werden, finanziert durch eine Verteuerung des anderen. Nach seinem Buch „Arbeit ohne Umweltzerstörung“ belebten Gutachten des Heidelberger Institut UPI 1988 und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag von Greenpeace 1994 die deutsche ÖSR-Debatte. Doch der Regierung Kohl gelang es, die ÖSR auf die lange europäische Bank zu schieben.
SPD und Grüne holten das Thema vom Verschiebebahnhof Europa in den Nationalstaat zurück. Am Mittwoch will nun die Koalition im Bundestag den ÖSR-Einstieg zum 1. April endgültig besiegeln. Waren bislang eher kleinere Nationen, wie Dänemark und Holland ÖSR-Innovateure, hat jetzt der wichtigste europäische Industriestaat den ersten, wenn auch zaghaften Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dies wird den Befürwortern in anderen Ländern Auftrieb geben, zugleich steigt die Chance auf eine EU-weite Verständigung. Die Steuer- und Wettbewerbskommissare Monti und van Miert haben die deutsche Initiative bereits begrüßt.
Doch in der rot-grünen Ökosteuer sind noch dringend Nachbesserungen für die zweite und dritte Stufe ab Frühjahr 2000 und 2001 notwendig. Während Heizöl (vier Pfennig pro Liter) und Strom (zwei Pfennig pro Kilowattstunde) im ersten Schritt relativ stark verteuert werden, fällt die Spritpreisverteuerung um sechs Pfennig pro Liter marginal aus. Wer 15.000 Kilometer im Jahr mit einem Auto, das zehn Liter verbraucht (deutscher Durchschnitt), unterwegs ist, müßte mit Mehrkosten von monatlich 8,70 Mark rechnen. Außerdem fiel der Spritpreis allein 1998 um mehr als zehn Pfennig durch die fallenden Weltmarktpreise für Rohöl. Doch der Verkehr ist das Sorgenkind Nummer eins: Seine steigenden Emissionen gefährden das Klimaschutzziel der Bundesregierung, weshalb hier Verteuerungen notwendig sind, die das Autofahren wirklich eindämmen. Zugleich hat die Mineralölsteuer eine günstigere Verteilungswirkung als eine Strom- oder Heizölsteuer, da Schüler, Studenten und Sozialhilfeempfänger – die meist kein Auto besitzen – im Verhältnis für Mineralöl weniger als für Strom und Heizöl aufwenden. Da diese Gruppen nicht von den niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen profitieren, sollte der im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte soziale Ausgleich bald folgen.
Die rot-grüne Ökosteuerreform gewährt zu viele Ermäßigungen für die Wirtschaft: Die Bahn etwa, die weder im Wettbewerb mit internationalen Konkurrenten steht noch ihre Einsparpotentiale bereits ausgeschöpft hat, sollte mittelfristig den vollen Steuersatz zahlen.
Zentral ist nun eines: Die ÖSR-Befürworter haben sich immer als „Akteure der Langfristigkeit“ verstanden, die den lähmenden Vier-Jahres-Wahlzyklus durchbrechen und eine generationenübergreifende Politik einleiten. Deshalb waren ÖSR-Konzepte meist über zehn Jahre angelegt. Die Regierung hat die Steuer bislang nur für drei Jahre geplant – drei Legislaturperioden wären angemessener. Der kontinuierliche Anstieg der Energiesteuern ist das zentrale Element der ÖSR. Auch mit einem geringerem Aufkommen würde sie den Wechsel vom nach- zum vorsorgenden Umweltschutz sichtbar einleiten, wenn man sie nur langfristig anlegt – Stetigkeit geht vor Höhe. Verknüpft mit einem mutigen Abbau ökologisch schädlicher Subventionen, mit dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und einer nationalen Umweltplanung könnte Deutschland tatsächlich zum Ökovorreiter werden. Carsten Krebs, Danyel Reiche
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