Ökolöwe Leipzig: Ein Löwe, der nicht nur brüllt
Kurz vor dem Ende der DDR wurde der Verein Ökolöwe Leipzig gegründet. Seit 1988 setzt er sich für Umweltschutz in der Stadt ein
Von Nicole Opitz
Als Nico Singer den Hörer abnahm und erfuhr, dass sein Verein Ökolöwe Leipzig zum Kreis der taz-Panterpreis-Aspiranten zählt, war er erst einmal verblüfft: „Ich wusste ja nicht, dass wir überhaupt nominiert waren“, sagt er der taz am Telefon. Der Verein hat je nach Projektlage zwischen 11 und 18 Mitarbeitende und 2.000 Mitglieder. Sein Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung Leipzigs. Singer, der Geschäftsführer des Ökolöwen, freut die Aufmerksamkeit: „Wir sind ja nicht so bekannt.“
Er erzählt gern und berichtet: „1988/89 haben Bürger den Verein gegründet. Da waren die Umweltzustände in Leipzig noch kein allgemeines Thema.“ Leipziger:innen, die sich in Kirche und im Kulturbund engagierten, gründeten den Ökolöwen. Gemeinsam arbeiteten sie bei einem Runden Tisch des Bezirksrats mit. Das erste Erfolgserlebnis: die Rettung von Teilen des Auwaldes.
„Seitdem läuft so viel Wichtiges nebeneinander“, sagt Nico Singer. Neben der Arbeit in der Stadtverwaltung gebe die Stadt die gewichtigsten Fördermittel für die Projekte des Ökolöwen. „Das ist ein Spagat, den wir ganz gut hinbekommen“, sagt Singer: sowohl Teil der Verwaltung wie auch Akteur jenseits ihrer Strukturen zu sein. Der Hauptteil der Arbeit bestehe darin zu prüfen, ob Beschlüsse der Stadt eingehalten werden. „Wir bringen furchtbar viel Zeit auf, um zu schauen: Was passiert mit den Beschlüssen?“
Diese Hartnäckigkeit lobt Kerstin Rupp, die den Verein für den taz-Panterpreis vorschlug. „In Leipzig ist er eine wichtige Institution, dieser kleine Ökolöwe. Das hat manchmal genervt, aber er ist immer dran an umweltpolitischen Themen“, sagt Rupp. Besonders beeindruckt habe sie, dass Leipzig dieses Jahr beim Stadtradeln den dritten Platz erreicht hat. Beim Stadtradeln treten deutschlandweit Städte gegeneinander an, um zu vergleichen, wie viele Kilometer ihre Bürger:innen Fahrrad fahren. „Dass Leipzig so gut abgeschnitten hat, hängt zu großen Teilen daran, dass der Ökolöwe so viele Leute mobilisierte“, sagt sie.
Leipziger:innen beim Umweltschutz einzubeziehen, ist Singer besonders wichtig. „Der Ökolöwe wurde aus der Bürgerschaft mit der Bürgerschaft gegründet“, sagt Singer. Mit der Zeit habe sich allerdings die Struktur des Vereins verändert. Vor zehn Jahren bestand der Verein aus 145 Mitgliedern, die Arbeit wurde hauptsächlich durch geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnehmen finanziert. Nico Singer sorgte indes für eine unabhängige Finanzierung und eine stärkere Vereinsstruktur.
Perspektiven wechseln
Auch die Themen ändern sich. Früher sei eine der Hauptforderungen des Ökolöwens gewesen, Bäume zu pflanzen, berichtet Singer. Die Klimakrise habe den Schwerpunkt verschoben. „Heute müssen wir uns fragen: Wie bewässern wir die Bäume? Was können wir noch tun?“ Mittlerweile gibt es neben den Baumpflanzungen auch eine AG Abfall, eine AG Naturschutz, den Park(ing) Day Leipzig und einen Stadtgarten. Und auch für eine verkehrsgerechte Stadt macht sich der Ökolöwe stark. „Die Infrastruktur für Fahrradfahrende ist in Leipzig noch lange nicht gut, aber wir dürfen die Fußgänger nicht vergessen“, sagt Singer. Um die Perspektive zu wechseln, sei er deshalb eine Zeit lang zu Fuß zur Arbeit gegangen. „Zehn Kilometer, hin und zurück.“
Weil der Ökolöwe viele Projekte gleichzeitig betreut, sei Singer in der Vergangenheit bereits kurz vorm Burnout gewesen: „Wir bräuchten eigentlich 5.000 Förderer, damit wir nicht alle überarbeitet wären.“ Also viel mehr fördernde Anerkennung, um die Arbeit auf mehr Schultern verteilen zu können. Ihm sei wichtig, dass Nichtregierungsorganisationen aus ihren prekären Verhältnissen herauskämen. „Wenn ich erfahre, dass das Geld fehlt, um den Umweltschutz zu fördern, fange ich erst mal an, das eigene Gehalt zu kürzen.“
Weil der Ökolöwe das nicht mehr hinnehme, sorge er dafür, dass die Gehälter angepasst werden. Das führt leider unter anderem dazu, dass die Umweltbibliothek, die der Ökolöwe betreibt, kurz vor der Schließung steht. 22.000 Medien gibt es dort. Der Stadtrat stimmte einer nötigen Finanzierung für die Bibliothek nicht zu. Eines der aktuellen Projekte ist damit die Rettung der Bibliothek. „Gerade im Zeitalter der Fake News braucht jede Stadt eine Umweltbibliothek“, sagt Singer. „Wir sind kämpferisch und professionell genug, um das nicht hinzunehmen.“
Die Initiative im Netz: oekoloewe.de
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