Öko-Branche: Bio-Verbände halten Krisengipfel ab
Steigende Importe, zu wenige Anbauflächen und der Einstieg von Lidl - die Öko-Branche befindet sich im Umbruch.
Bei Bio-Lebensmitteln neigen die Deutschen zum Patriotismus. Die meisten vertrauten zwar Produkten aus dem Inland, aber bei anderen Herkunftsländern hätten sie Probleme, heißt es in einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Produkt + Markt. Waren aus Osteuropa bekamen das schlechteste Ergebnis: Nur drei Prozent vertrauen ihnen. Kaum besser schnitten die Bio-Lebensmittel aus China (vier Prozent), Nordafrika (acht Prozent) und den USA (elf Prozent) ab. Auch Produkte aus Italien und Spanien werden skeptisch beurteilt. Bei deutschen Produkten lag die Quote dagegen bei 85 Prozent. "Die EU achtet genau darauf, dass das Öko-Kontrollsystem für Importe etwa aus Russland, Moldawien oder der Ukraine genauso streng ist wie für einheimische Produkte", sagt hingegen Bernhard Jansen, Geschäftsführer des Dresdener Vereins EkoConnect, der Bio-Bauern im Osten fördert. MAU
MÜNCHEN taz Der Tagungsort war treffend gewählt. Schließlich hat in München die Biosupermarktkette Basic ihren Sitz. Und seit dort der Discounter Lidl eingestiegen ist, brodelt es in der Branche. Gestern haben sich Vertreter der größten Öko-Anbauverbände zu einer Art Krisengipfel in München getroffen. Wie zu erwarten, war auch der Lidl-Einstieg Thema.
Der Anbauverband Bioland zeigte Verständnis, dass sich die Bio-Kette Kapital von außen besorgt. Gleichzeitig warnte der Verband Basic davor, sich von Lidl in die Unternehmenspolitik reinreden zu lassen. "Es wäre ein großer Fehler, wenn Basic jetzt Billig-Bio machen würde", sagte Bioland-Vertreter Gerald Wehde.
Mit 25 Märkten ist Basic die zweitgrößte deutsche Biokette nach Alnatura. Die Lidl-Schwarz-Gruppe hält bereits 23 Prozent der Anteile und strebt nun eine Mehrheitsbeteiligung an. Das beunruhigt auch den zweitgrößten deutschen Anbauverband Naturland. "Wichtig ist, dass die gleichen Kriterien gelten wie früher", sagte Naturland-Chef Steffen Reese. Dazu zählten Regionalität, faire Erzeugerpreise und langfristige Handelsbeziehungen. "Die Lieferanten dürfen nicht plötzlich fallen gelassen werden wie heiße Kartoffeln."
Doch die Bio-Branche steckt in einem Dilemma, das über das Beispiel Basic hinausgeht, wie das Treffen gestern verdeutlichte. Zwar wuchs der Biomarkt 2006 im dritten Jahr zweistellig, doch die heimische Bio-Erzeugung hält nicht mit der Nachfrage Schritt, immer mehr Bioprodukte werden importiert. 2,3 Prozent Zuwachs der ökologisch bewirtschafteten Flächen im Jahr 2006 stellen laut Bioland einen historischen Tiefstand dar. "Deutschland verschläft den Bioboom", sagte Bioland-Vertreter Wehde.
Das Problem werde dadurch verschärft, dass immer mehr Landwirte ihre Äcker für Energiepflanzen verwendeten, sagte Hubert Weinzierl, Präsident des Dachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR). Er forderte die Landwirte auf, nicht leichtfertig von Nahrungsmitteln auf Bio-Energie umzusteigen.
WOLF SCHMIDT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett