Öffentliche Toiletten in Berlin: Es darf frei gepullert werden
Auch künftig wird ein größerer Teil der öffentlichen Wall-Toiletten gratis zugänglich sein. Die Reaktionen fallen nicht überall positiv aus.
Insgesamt betreibt Wall auf Grundlage eines Vertrags mit dem Land Berlin 278 automatische WCs, auch bekannt als „Berliner Toilette“. Für die Nutzung der nicht gratis vorgehaltenen Häuschen erhebt die Firma eine Gebühr von 50 Cent. Daneben gibt es auch noch einige bezirkseigene Toiletten oder Ökotoiletten anderer Anbieter.
Die Erprobungsphase war Ende Juni abgeschlossen worden, jetzt habe man die Erfahrungen evaluiert und sich auf ein „weiterentwickeltes Betriebskonzept“ verständigt, hieß es. Nicht alle der künftig kostenlosen Standorte sind identisch mit denen der Erprobungsphase. Noch notwendige Umrüstungen würden nun schnellstmöglich umgesetzt.
Alle Gratis-Toiletten sollen den Angaben zufolge ein Pissoir beinhalten und eine „genderunabhängige Nutzung“ ermöglichen. Grundsätzlich solle die „Vandalismusresistenz“ aller öffentlichen Klos erhöht und durch „regelmäßige Reinigungs- und Kontrollprozesse“ ein „attraktives Angebot sichergestellt“ werden.
„Linke Handschrift“
Für die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg, die sich seit Jahren dem Ziel kostenloser Toiletten verschrieben hat, ist das erst einmal eine gute Nachricht: „Die linke Handschrift der rot-rot-grünen Toilettenpolitik hat sich nun auch unter Schwarz-Rot durchgesetzt – aber das ist nur ein Anfang.“
Sie werde weiter darum kämpfen, dass alle öffentlichen Toiletten ohne Einschränkung zugänglich seien – „und zwar nicht nur für Penis-Träger:innen“, so Genburg am Freitag zur taz. Damit bezieht sie sich auf Klos, die sich erst gegen Bezahlung öffnen, aber ein frei zugängliches Pissoir (und kein Hockurinal) bereithalten.
Laut Gennburg weiß der Senat aber auch, dass er handeln müsse, weil das Antidiskriminierungsgesetz ihn dazu verpflichte. Eine Klage sei auch schon vorbereitet. Nach der Sommerpause werde sich die Linke erneut der Thematik widmen: „Wir können nicht aufgeben, bevor alle Toiletten kostenfrei sind.“
Freude nicht bei allen
In manchen Kiezen sorgt die Gratis-Ankündigung von Wall und Senatsverwaltung nicht für einhellige Freude. So haben AnwohnerInnen der Falckensteinstraße im Kreuzberger Wrangelkiez einen Hilferuf ausgesandt: Der taz schrieben sie, die dort im Jahr 2020 errichtete Toilette, die auch während der Erprobungsphase kostenlos zugänglich war, werde „ausschließlich zur Drogenlagerung, zum Drogenkonsum und zur Prostitution“ verwendet. „Für jede andere Person ist die Nutzung nicht nur unzumutbar, sondern auch durch die Konfrontation mit dem Drogenmilieu höchstgefährlich.“
Tatsächlich war es den AnwohnerInnen Ende 2023 gelungen, eine Schließung der Toilette zu erwirken – ab kommender Woche soll sie aber wieder geöffnet sein. Das sei „für uns ein Schlag ins Gesicht“, schreiben sie in ihrer Mail. „Wir sind nicht mehr bereit, als Reallabor für eine gescheiterte Drogenprävention herzuhalten.“
Auch sei es „ungeheuerlich“, die „Verantwortung für die Drogendealer und -konsumenten nun auf Reinigungskräfte abzuschieben“. Von den „lokalen Behörden, insbesondere unserer Bezirksbürgermeisterin, Clara Herrmann“, fühle man sich im Stich gelassen.
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt sich gelassen
Der Bezirk geht davon aus, die Problematik in dieser und anderen öffentlichen Toiletten im Görlitzer Park und dessen Umfeld mit Sozialarbeit und einer Erhöhung der Reinigungs- und Reparaturfrequenz in den Griff zu bekommen.
In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Katalin Gennburg verwiesen Senats- und Bezirksverwaltung unlängst auf ein zweijähriges Pilotprojekt – Teil der auf dem „Berliner Sicherheitsgipfel“ beschlossenen Maßnahmen.
Dabei würden „Fehlnutzer“ aufgefordert, die Toiletten unverzüglich zu verlassen, damit diese für die Allgemeinheit zur Verfügung stünden. Das werde „mit weiteren präventiven Sozialmaßnahmen (Parkläufern, Kiezhausmeisterei, aufsuchende Sozialarbeit)“ im Bezirk „verschränkt“.
1,6 Millionen Euro soll das Pilotprojekt in diesem und dem nächsten Jahr kosten, der größte Teil davon fließt in die Personalkosten für einen privaten Dienstleister. Laut Bezirksamt werden „täglich 4 Personen im Zwei-Schicht-System à 8 Stunden eingesetzt“.
In Zusammenarbeit mit dem Toilettenbetreiber Wall sowie dem bezirklichen Park- und Kiezmanagement gebe es Schulungen „zum Umgang mit den Reinigungsmitteln und den Themen Arbeitssicherheit, Sensibilisierung im Umgang mit Drogenkonsumentinnen und -konsumenten und obdachlosen Menschen“.
Katalin Gennburg findet es falsch, dass so viel öffentliches Geld in die Hand genommen wird. Schließlich sei es Bestandteil des Vertrags mit Wall, dass die Firma alle Toiletten in einem nutzbaren Zustand halten müsse: „Wenn die das nicht hinbekommen, sind sie vielleicht nicht die richtigen Dienstleister.“
In Bezug auf die Beschwerden sagt die Linken-Politikerin, sie finde es fragwürdig, dass die AnwohnerInnen für die Schließung der Toilette kämpften, nicht aber für ein Duschmobil oder ein anderes zusätzliches Angebot: „Eigentlich erwarte ich, dass es eine Gegeninitiative gibt.“
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